Meinung Sicherheitspaket verunsichert
Freiheit, Sicherheit, Sicherheit, Freiheit — als wenn die Abwägung immer so einfach wäre. Und als wenn die Antworten immer gleich ausfielen. Sitzen uns die frischen Eindrücke eines blutigen Terroranschlags im Nacken, wollen wir schnell das Gefühl zurück, geschützt zu sein.
Dann lassen sich wieder martialisch ausgestattete Polizisten zu unserer Beruhigung vor dem Tatort fotografieren, als wenn damit irgendjemandem geholfen wäre. Sind wir unbesorgter, erscheint ein wachsender Sicherheitsapparat plötzlich bedrohlich nicht nur für potenzielle Täter, sondern auch für uns und unser Bedürfnis, frei von staatlicher Kontrolle zu leben.
In der politischen Debatte wird diese diffuse, wankelmütige Gemütslage gerne ausgeblendet. Dann wähnt die Sicherheitsfraktion das Land ohne „harte Hand“ und „null Toleranz“ am Rande der Gesetzlosigkeit und des Chaos, während die Freiheitsfraktion bei jeder Gesetzesverschärfung den Überwachungsstaat aufziehen sieht.
Als Innenminister Herbert Reul am Freitag die Pläne für das neue NRW-Polizeigesetz vorstellte, ließ er auch Deutschlandkarten verteilen, die zeigten, welche Maßnahmen wo erlaubt sind. Sie sollten beweisen, wie oft NRW in Sicherheitsfragen hinten liegt. Aber tatsächlich belegten sie auch, wie unentschieden die Politik selbst ist. Aufenthalts- und Kontaktverbote sowie elektronische Fußfesseln gibt es bisher nur in Bayern und Baden-Württemberg. Auch die Überwachung verschlüsselter Telekommunikation („Whatsapp“) ist derzeit nur in sechs von 16 Bundesländern erlaubt.
Reuls Sicherheitspaket soll das Sicherheitsgefühl im Land steigern. Aber es hinterlässt auch Unsicherheit — weil die Frage, ob die Maßnahmen richtig oder falsch, sinnvoll oder übertrieben sind und was sie mit unserer Freiheit machen, so schwer eindeutig zu beantworten sind.