Meinung GroKo-Vereinbarung zum Paragraphen 219a: Mehr Pragmatismus, bitte!
Berlin · Anstatt im Falle des sogenannten Werbeverbots-Paragraphen eine praktikable Regelung zu finden, haben sich Union und SPD in einen Streit verheddert, der an den Fall Maaßen erinnert. Ein Kommentar.
Frauen dürfen ihre Schwangerschaft bis zur zwölften Woche abbrechen, wenn sie sich vorher beraten lassen. So steht es nun schon seit mehr als zwei Jahrzehnten im Gesetzblatt. Diese pragmatische Abwägung zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Im Strafgesetzbuch steht allerdings auch der Paragraph 219a. Demnach müssen Ärzte mit Strafanzeigen rechnen, wenn sie auf Abbrüche hinweisen. Beides will nicht recht zueinander passen.
Doch anstatt auch im Falle dieses sogenannten Werbeverbots-Paragraphen eine praktikable Regelung zu finden, haben sich Union und SPD in einen Streit verheddert, der an den Fall Maaßen erinnert. Auch da stand die Koalition zeitweilig vor dem Bruch.
Für die auf mehr Konservatismus bedachte Union ist es zur Schlüsselfrage geworden, ob Ärzte über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen oder nicht. Und die SPD greift nach jedem Strohhalm, um sich ihrem schier unaufhaltsamen Niedergang entgegenzustemmen. Da kommen auch vergleichsweise kleinere Probleme ganz groß raus. Mit der nunmehr gefundenen Verabredung sind die Differenzen längst noch nicht ausgeräumt. Die „Lösung“ lautet, eine Lösung im Januar zu präsentieren. Das mag politisch dem Weihnachtsfrieden dienen, aber nicht den vielen verunsicherten Medizinern. Und den betroffenen Frauen schon gar nicht.
Dabei gibt es längst Vorschläge, die einfach umzusetzen wären. So hatte die Bundesärztekammer schon vor Monaten angeregt, ein Internet-Portal einzurichten, das von einer unabhängigen Stelle betrieben wird und über die Rechtslage sowie Beratungsstellen und zuständige Ärzte informiert. Das würde den Bedürfnissen der Frauen gerecht, die die zweifellos sehr schwierige Entscheidung über einen Abbruch umtreibt, aber auch den Interessen der Ärzte, weil sie wegen entsprechender Auskünfte keine Strafverfolgung mehr befürchten müssten. Vielleicht kommen Union und SPD ja über Weihnachten zur Besinnung.