Kommentar Die Bluttat von Halle und die Folgen

Meinung | Berlin · Es kann jeden treffen. Die Frau, die zufällig an der Synagoge in Halle vorbeikam und dem Täter noch etwas zurief, wurde einfach von ihm erschossen.

Eine Person wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht

Foto: dpa/Uli Deck

Währenddessen bangten die jüdischen Mitbürger im Gotteshaus weiter um ihre Leben. Wer glaubt, der antisemitische Anschlag ist ein begrenzter Terrorakt gewesen, der ignoriert: Terroristen im Blutrausch zielen auf alles, was sich bewegt. Da unterscheidet sich ein Rechtsextremer nicht von einem Islamisten. Es kann jeden treffen. Nicht nur, aber auch deshalb geht die Tat auch jeden an.

Von Bertolt Brecht stammt der Satz: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Das war Brechts Mahnung vor einem Wiedererstarken des Faschismus. Sie ist erschreckend aktuell. Bei solchen Anschlägen darf nicht nur auf die Tat an sich geblickt werden - sondern auch auf das politische Umfeld, das dazu beiträgt, wenn Täter zu Täter werden. Bayerns Innenminister Herrmann hat diesbezüglich harte Worte gefunden und Vertreter der AfD, namentlich den „Flügel-Mann“ Björn Höcke, in die Verantwortung genommen.

Es lässt sich tatsächlich nicht mehr bestreiten, dass verbale Grenzverschiebungen und die Sagbarmachung von Ungeheuerlichkeiten das gesellschaftliche Klima verroht haben. Hass, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit sind der Nährboden, auf dem schreckliche Anschläge wie in Halle gedeihen. Deshalb wird sich keiner, der sich im Internet oder sonst wo daran beteiligt, frei von einer Mitverantwortung sprechen können. Dazu hat Bundespräsident Steinmeier Wahres gesagt: Wer noch ein Funken Verständnis für politische Gewalt hat, für Hetze gegen Andersgläubige und gegen Repräsentanten des Staates bis runter in die Kommunen, der ist mitschuldig an dem, was ist. Man muss hinzufügen: Auch an dem, was womöglich noch kommen wird.

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Der Rechtsterrorismus in Deutschland ist schließlich nicht erst seit Halle real. Er hat sich über die Jahre weiter brutalisiert und verbreitert; es gibt Morddrohungen, Übergriffe, Chatrooms voller Gewaltvorstellungen, es kursieren „Feindeslisten“ mit tausenden Namen. Es gab sogar schon Gruppen wie die aus Chemnitz, die den Umsturz planten. Selbst Einzeltäter müssen in einem Netzwerk eingebunden sein. Insofern reicht es eben nicht mehr, immer wieder schreckliche Geschehnisse zu verurteilen und Mitgefühl mit den Opfern zu zeigen. Der Staat muss jetzt endlich aufwachen.

Er hat seine Sicherheitsbehörden besser gegen die Rechten aufzustellen. Dazu gehört, die Analysefähigkeit und Zusammenarbeit von Polizei und Dienste qualitativ und personell zu erhöhen. Justizministerin Lambrecht steht zudem in der Pflicht, ihrer Ankündigung, der Hetze im Netz einen Riegel vorschieben zu wollen, auch umzusetzen. Und ganz konkret gilt: Das Vollstreckungsdefizit bei Haftbefehlen gegen Rechtsextreme muss angegangen werden, um weitere Gefahren zu minimieren. Schon nach den NSU-Morden oder dem Mord an Walter Lübcke hat man viele Ankündigungen von politischer Seite gehört. Doch passiert ist noch viel zu wenig. Nach der Schande von Halle gibt es aber erst Recht keine Ausreden mehr.