Merkel — und dann ganz, ganz lange nichts
kommentar Für was die CDU inhaltlich steht, ist unklarer denn je
Es gibt zwei Bilanzen der Angela Merkel: Zum einen die der Bundeskanzlerin. Da vergleicht Wolfgang Schäuble sie schon mit Napoleon — nur sei ihre Regierungskunst besser. Dann gibt es noch die Bilanz der CDU-Parteivorsitzenden. Hier ist das Bild anders. Die große Volkspartei CDU regiert nach 14 Jahren Merkel nur noch in fünf Ländern mit, weniger als die Grünen (acht). Unter den zehn größten deutschen Städten wird keine mehr von der Union geführt. Erst kommt Merkel — und dann ganz, ganz lange nichts. Die CDU ist eine leere Hülle geworden. Wenn Angela Merkel dereinst gehen sollte, fällt die Partei in sich zusammen wie ein Soufflé.
Inhaltlich ist bei den Christdemokraten nichts wirklich klar. Der Kölner Parteitag hat das eindrucksvoll bestätigt. Man muss sich das vorstellen: Die führende Regierungspartei des viertgrößten Industriestaates der Welt und der wichtigsten europäischen Nation kommt einmal im Jahr zur Positionsbestimmung zusammen, diesmal in einer Zeit besonders großer Krisen, und redet ausschließlich über — Belanglosigkeiten. Über die kalte Progression, Burka-Verbot und eine Personalie in der dritten (!) Reihe der Parteiführung. Das waren schon die Höhepunkte.
Die Parteichefin scheint immerhin begriffen zu haben, dass ihre bisher so erfolgreiche Wahlkampfstrategie der „asymetrischen Demobilisierung“, das ist die Einschläferung des Gegners durch inhaltliche Unbestimmtheit, inzwischen zur Sedierung des eigenen Ladens zu führen droht. Deshalb stilisiert sie schon jetzt die nächste Bundestagswahl zu einer Richtungswahl gegen Rot-Rot-Grün. Eine Art Weckruf.
Diese Strategie hat jedoch zwei Kehrseiten: Erstens muss Merkel, wenn ein solcher Angstwahlkampf nicht zur absoluten Mehrheit führt, danach womöglich mit den Grünen regieren. Das entleert die CDU dann noch mehr. Und zweitens muss sie, wenn sie so redet, natürlich auch selbst für eine solche Entscheidungsschlacht zu Verfügung stehen. Das Ergebnis von Köln ist also, dass die Ära der Merkelschen Allmacht in der Union noch eine ganze Weile weitergehen soll und wird.
Bei Kaiser Napoleon war übrigens schon nach zehn Jahren Schluss. Nach Waterloo.