NRW-Sondierung: Die strittigen Themen kommen noch
Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft haben am Donnerstag das getan, was unter Demokraten normal sein sollte: Rund drei Wochen nach der Landtagswahl haben sich die beiden Parteichefs von CDU und SPD samt ihrer Beraterteams getroffen, um die Möglichkeiten einer Großen Koalition auszuloten.
Das ist gut so und auch selbstverständlich. Denn die FDP hat sich Gesprächen verweigert, und die Linkspartei hat den Demokratie- und Politiktest nicht bestanden - die SPD muss also mit der CDU reden. Und die hatte seit dem 9.Mai ohnehin keine andere Option. Ob aus der ersten Sondierung tatsächlich eine politische Ehe wird, ist auch nach dem ersten Gespräch völlig offen.
Die wirklich wichtigen Fragen wurden noch gar nicht angesprochen - vor allem in der Bildungspolitik. Da ist das bedingungslose Ja von Rüttgers zur Hauptschule, die er in den vergangenen Jahren mit vielen Millionen Euro unterstützt hat. Im Gegensatz dazu sagt die SPD den sicheren Untergang dieser Schulform voraus und setzt auf die Gemeinschaftsschule. Beide Modelle sind in beiden Lagern ideologisch besetzt - vielleicht nicht ganz so massiv wie in den 70er Jahren, aber immer noch heiß diskutiert. Die SPD lässt jedenfalls immer wieder durchblicken, ein Kompromiss mit einem Modellversuch oder einer Zusammenlegung von Haupt- und Realschule wie in Sachsen reiche keinesfalls aus. Und bei der CDU mehren sich die Stimmen, die sagen: "Wir lassen uns unser Schulsystem nicht kaputtmachen."
Es wird also am kommenden Dienstag spannende Gespräche zwischen Kraft, Rüttgers und den übrigen Teilnehmern der schwarz-roten Runde geben. Die beiden Lager fremdeln arg, viele Rechnungen sind dort noch offen. Die CDU-Leute haben die Arroganz der Macht nicht vergessen, die die SPD in den 39 Jahren ihrer Regierung entwickelt hat. Und die Wunden, die das Rüttgers-Team der Spitzenkandidatin mit der "Kraftilanti"-Kampagne und der Videoüberwachung zugefügt hat, sind auch noch nicht verheilt.
Doch es geht nicht um Befindlichkeiten, es geht um die Macht. Und da sitzt die SPD derzeit am längeren Hebel. Sie kann die Verhandlungen jederzeit an Sachthemen scheitern lassen, die CDU ist zum Erfolg verdammt. Das macht die Sache spannend.