Meinung Nun scheint in NRW auch eine rot-gelbe Ehe möglich

Stete Rücktrittsforderungen an den SPD-Innenminister, vermeintliche Stärke konservativer Parteien auf dem Feld der inneren Sicherheit und eine Landesregierung, die auf vielen Politikfeldern Luft nach oben hat — es gäbe Gründe dafür, dass die SPD in NRW vor der Landtagswahl am 14. Mai zur Aufholjagd blasen müsste.

Olaf Kupfer.

Foto: Sergej Lepke

Muss sie aber nicht. Das ausgemachte, mal tatsächliche, mal vermeintliche Übel perlt an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ab: 40 Prozent sagt die neue Forsa-Umfrage der SPD für die Landtagswahl voraus - das wäre noch mehr als bei der jüngsten Landtagswahl 2012 (39,1) und ein starkes Signal für Kraft, dass sie mit ihrer Konzentration ausschließlich auf ihre Wählerschaft alles richtig macht.

Zur Wahrheit gehört: Jene Prozente, die der Landesmutter an Popularität abhanden gekommen sind (die persönlichen Werte in dieser Umfrage zeigen es), serviert SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz als neue Heilsfigur der Sozialdemokratie auf dem Silbertablett. Kraft profitiert von der Nähe zu Schulz, beide inszenieren sich im Wahljahr als Lokführer-Paar des sogenannten Schulz-Zugs, der durch die Republik rast. Hält der Hype an — und das tut er schon weit länger, als es die Opposition in NRW prophezeit hatte — wird sich an den guten Werten für die SPD kaum etwas ändern.

Der grüne Koalitionspartner fällt zeitgleich ins Bodenlose, muss bei nun sechs Prozent sogar um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Will die SPD jenseits einer rot-grünen Minderheitsregierung, einer Partnerschaft mit den Linken oder der ungeliebten großen Koalition bei derlei starken eigenen Werten eine Kraft strotzende sozialdemokratisch geprägte Regierung bilden, zeigt sich dafür eine neue Möglichkeit: eine sozial-liberale Koalition, wie es sie ab 1956 und auch ab 1966 in NRW und von 1969 bis 1982 auch schon im Bund gegeben hat. Weder bei der SPD noch bei der FDP schließt man das aus — nur die Grünen will FDP-Chef Christian Lindner partout nicht dabei haben. Und dabei ist der Trend sein Freund: Elf Prozent für die FDP aus der Umfrage zeigen, dass es Lindner ohne Regierungsbeteiligung in Berlin deutlich glaubwürdiger als der NRW-CDU gelingt, als gemäßigte „Law and Order“-Partei zu punkten. Dass Lindner nach der NRW-Wahl wohl gen Bundestag entschwindet, macht die neue Perspektive für die SPD nicht unattraktiver: den Liberalen ginge Stärke verloren. Freilich wird Lindner diese Perspektive im Blick haben. Es wird spannend.