Meinung Obergrenze — eine nur scheinbare Patentlösung
Eine Obergrenze für Flüchtlinge? Die CSU-Forderung klingt patent. Aber setzen wir doch mal eine konkrete Zahl ein. Sagen wir, Deutschland legt eine Obergrenze von 500 000 Asylsuchenden pro Jahr fest.
Ist die Zahl erreicht, werden die Tore geschlossen. Wer warum dahinter ankommt oder umkommt, interessiert uns dann nicht. Egal, wie verfolgt und mit dem Tode bedroht er oder sie ist — der Antrag wird nicht geprüft.
Rechtlich funktioniert das schon nach unserem Grundgesetz nicht. Das Asylrecht gibt dem Einzelnen einen Anspruch, dass sein Fall geprüft wird. Dieses Recht kann nicht durch eine feste Grenze ausgehebelt werden. In unserem Asylrecht spiegelt sich Geschichte. Vor ein paar Jahrzehnten entgingen viele Deutsche dem Tod, weil andere Staaten eben nicht ihre Tore schlossen. Natürlich könnte man bei entsprechenden Mehrheiten versuchen, das Grundgesetz zu ändern. Doch das würde nicht weiterhelfen. Schließlich gibt ist da noch die Genfer Flüchtlingskonvention, die man dann auch ignorieren müsste.
Es stimmt ja, die Gesellschaft und auch die schon bisher aufgenommenen Flüchtlinge bekommen große Probleme, wenn allein die erdrückende Macht der großen Zahl jede Integration unmöglich macht. Dies führt schon jetzt zu Polarisierung und Verwilderung der Diskussionskultur. Doch radikale Lösungen dürfen nicht die Antwort sein.
Anders als bei einer national definierten Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen geht es bei den nun diskutierten Kontingenten um europäische Zielsetzungen. Die internationale Abstimmung würde die Lasten gerechter verteilen und damit auch die Kapazitäten insgesamt erhöhen. Eine Kontingent-Lösung, wie sie der Kanzlerin und jetzt auch der SPD-Spitze vorschwebt, hieße, dass man der Türkei als Haupttransitland einen Teil der bisher von ihr aufgenommenen Flüchtlinge abnimmt und diese auf alle EU-Staaten verteilt. Die Türkei müsste dann aber über die Kontingente hinausgehende Flüchtlinge zurücknehmen. Durch solche Quoten könnten auch besonders schutzbedürftige Personen wie Frauen und Kinder aufgenommen werden.
All das ist, auch angesichts der bisherigen starren Haltung vieler EU-Staaten schwieriger und verhandlungsintensiver als eine nationale Obergrenze. Aber es ist verfassungsfest. Und vor allem ist es menschlicher.