Politischer Aschermittwoch: Seehofer treibt die Kanzlerin vor sich her
Der Aschermittwoch eröffnet den Bundestagswahlkampf.
Der politische Aschermittwoch hat in Bayern besonders großartig zu sein, weil er dort erfunden worden ist. Und weil Horst Seehofer ihn erstmals als CSU-Vorsitzender erlebt. Und weil die Partei ihren verlorenen bundespolitischen Anspruch wiederhaben will. Und weil Europawahl sowie Bundestagswahl anstehen.
Also griff Seehofer, der mit dem US-Präsidenten verblüffend wenig Ähnlichkeit hat, von seinen Anhängern aber trotzdem als bayerischer Obama bejubelt wurde, mächtig an. Da man im Kampf gegen eine ohnehin mächtig angegriffene SPD kaum wie ein Drachentöter aussieht, demonstrierte Seehofer seine Kraft gegenüber der Kanzlerin.
Dass der CSU-Chef ankündigte, er werde nicht wie ein eingefetteter Aal zu Verhandlungen ins Kanzleramt schleichen, dürfte Merkel wenig überraschen. Mit seiner Forderung nach Volksentscheiden auf EU-Ebene aber hat Seehofer den Wahlkampf der CSU eröffnet - nicht nur ohne die CDU und die Kanzlerin, sondern gegen sie. Mit Volksentscheiden, davon ist Merkel überzeugt, wäre das europäische Projekt nie bis zum Euro fortgeschritten.
Nebenbei hat Seehofer der Kanzlerin vermittelt, dass er im Wahlkampf keinerlei Rücksicht nehmen wird. SPD-Chef Franz Müntefering nahm die Botschaft unverzüglich auf und warnte Merkel davor, dass Seehofer ihr die Kanzlerschaft streitig machen könnte, was nur vordergründig eine für den Aschermittwoch typische Gehässigkeit ist.
Tatsächlich erweckt Horst Obama den Eindruck, er ziehe oder schiebe die Kanzlerin durch die Regierungsgeschäfte. Merkels Pragmatismus, von dem wenig Strahlkraft ausgeht, setzt Seehofer seinen auch in der Darbietung gekonnten Populismus zum ständigen Vergleich entgegen.
Die SPD präsentierte sich in kluger Arbeitsteilung. Während Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der Union Orientierungslosigkeit, Führungslosigkeit und andere Losigkeiten vorwarf, sprach der Vorsitzende über Sorgen in der Krise, über Regeln für Finanzmärkte, über Demokratie und menschliches Miteinander.
Müntefering kann das erstens in guten einfachen Worten, und zweitens kann Merkel das schlecht. Die Emotionslosigkeit der Kanzlerin könnte sich als ihre größte Schwäche erweisen - beständig ausgeleuchtet von Seehofer und Müntefering.