Sondieren — was denn sonst?

Wie oft ist den Grünen eigentlich schon der nahe Untergang prophezeit worden? Zuletzt nach dem dramatischen Absturz in NRW. Gemessen daran, stehen sie mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte auf Bundesebene und der Chance auf Regierungsbeteiligung schon ziemlich gut da.

Foto: Sergej Lepke

Und jetzt der staatstragend einhellige Beschluss, Sondierungsgespräche mit CDU/CSU und FDP aufzunehmen. Ja, aber was denn auch sonst?

Keiner, der noch für fünf Cent Hirn im Schädel hat, würde behaupten, dass diese Gespräche und Jamaika-Verhandlungen einfach werden. Und niemandem unter den Wählern, die nicht an Wahrnehmungsstörungen leiden, muss man noch erklären, dass sich gewaltige Problemfelder auftun zwischen den Parteien. Aber wie das Leben kein Ponyhof ist, so ist eine Wahl auch kein Wunschkonzert.

Der Wesenskern der Demokratie ist der Kompromiss. Und er funktioniert nur auf Dauer, wenn sich alle so bewegen, dass jeder dabei sein Gesicht wahren kann. Die Grünen werden manches akzeptieren müssen, was ihnen nicht gefällt. Womöglich tut sich ihre auf Weltrettung spezialisierte Partei- und Wählerbasis damit schwerer als andere.

Aber wer bei den Grünen jetzt schon erklärt, ihm fehle die Fantasie, wie das mit FDP oder CSU funktionieren soll, der könnte seine Fantasie mal bemühen, sich auszumalen, was die Alternativen sind. Neuwahlen — mit nochmals gesteigerter AfD-Hysterie samt unbekanntem Ausgang? Oder das Hoffen auf Schulz’ Sturz und die Renaissance der großen Koalition, die bis gerade noch allenthalben als Lähmung der Demokratie beklagt wurde? Und wie viel Einfluss auf den Klimaschutz hat man eigentlich aus der Opposition?

Das Quälendste an Jamaika ist vorerst die Zeit bis zum Gesprächsbeginn. Bis dahin müssen wir noch die öffentlichen Rote-Linien-Markierer ertragen. Aber die eigentliche rote Linie wäre mit der Unfähigkeit zu neuen Bündnissen überschritten.