Martin Schulz wird schon bald Geschichte sein
Erstaunlich langsam begreifen die Sozialdemokraten, was sich am Wahlsonntag ereignet hat. Das Ergebnis von nur noch 20,5 Prozent ist ein Desaster. Und das lässt sich auch nicht mit dem Hinweis schönreden, dass manche Genossen sogar mit weniger als 20 Prozent gerechnet haben.
Es ist und bleibt eine herbe Niederlage. Ihr Name lautet Martin Schulz. Der gescheiterte Kanzlerkandidat zeigt sich dennoch so gut gelaunt und kämpferisch, als sei alles nicht so schlecht gelaufen. Dabei war die Beliebigkeit im Wahlkampf allzu offensichtlich. Das Thema soziale Gerechtigkeit überzeugte ebenso wenig wie Flüchtlinge oder Erdogan. Der Kampagne fehlte die klare Linie. So sehr sich Schulz auch mühte, er vermochte nicht zu überzeugen.
Jünger und weiblicher will die SPD nun werden. Gut so. Aber dann kann Schulz nicht der Vorsitzende dieser Partei bleiben. Eigentlich wissen das auch alle in der SPD, aber bis zur Wahl in Niedersachsen Mitte Oktober sind Personaldebatten tabu. Michael Groschek, SPD-Chef in NRW, stellt sich schützend vor Schulz, der bislang nur von sozialdemokratischen Helden früherer Tage angegriffen wird. Verwunderlich ist diese Solidarität nicht. Denn wie Schulz verkörpert Groschek eine SPD, die der Wähler abgestraft hat. Mit Andrea Nahles als Fraktionschefin ist die Partei auf Bundesebene allerdings schon weiter als an Rhein und Ruhr. Dort versucht Groschek, den Neustart mit dem 70-jährigen Norbert Römer an der Spitze der Fraktion zu organisieren. Überzeugend ist das nicht.
Andrea Nahles bildet das neue Machtzentrum der Partei. Schulz wäre gut beraten, ihr auf dem Parteitag im Dezember das Feld zu überlassen. Die einst ständig auf Krawall gebürstete Juso-Chefin hat als Arbeitsministerin bewiesen, wie klug und professionell sie zu arbeiten versteht. Ihr ist zuzutrauen, die Partei inhaltlich wieder stark zu machen. Mit einem Programm, das die richtige Agenda 2010 nicht verrät, aber die Fürsorge des Staates auch nicht verunglimpft. Mit einem Eintreten für die Bürgerversicherung als Alternative zur Zwei-Klassen-Medizin.
Rot-Rot kann dabei für die SPD keine Perspektive sein. Echte Optionen auf die Macht gibt es für die politische Linke in Deutschland nur, wenn die Spaltung in zwei Parteien überwunden wird. Nahles wird in der Opposition an diesem Projekt arbeiten. Und sie wird sich auch dann nicht beirren lassen, wenn Schulz bis auf Weiteres Vorsitzender der SPD bleiben sollte.