Trumps Erkrankung Ein Warnschuss für alle Corona-Leugner
Meinung | Berlin · Schadenfreude, auch Häme ist bei vielen der erste Reflex auf Donald Trumps Erkrankung, doch ist das in jeder Hinsicht unangebracht.
Moralisch gesehen, weil man sich schlicht nicht über das Leid eines anderen Menschen freut. Und politisch, weil sich die Trump-Kritiker damit selbst ins Unrecht setzen.
Allerdings sind die hämischen Reaktionen erklärbar. Sie sind eine Retourkutsche für den Hohn, den Trump zuvor über alle ausgeschüttet hat, die Corona ernst nahmen. Er hat die Wissenschaft – wie schon beim Klimaschutz – ebenso geleugnet wie die Aufgaben des Staates in einer solchen Situation. Und da Trump nicht irgendwer ist, sondern Präsident der Vereinigten Staaten, hat das Folgen gehabt. Die Akzeptanz der Entscheidungen lokaler Gesundheits-Behörden wurde vom Weißen Haus systematisch unterhöhlt. Trumps Corona-Politik hat in den USA vermeidbares Leid verursacht und Menschenleben gekostet. Die Häme hat er sich erarbeitet.
Was man dem Präsidenten jetzt vor allem wünschen muss außer Gesundheit ist Erkenntnis. Vielleicht kommt sie ja in einem lichten Fiebermoment. Wahrscheinlich ist das nicht, wie die Fälle des Brasilianers Bolsonaro und des Briten Johnson zeigen, die beide aus ihrer eigenen Corona-Erkrankung wenig bis gar nichts gelernt haben. Die amerikanische Gesellschaft freilich wird nicht so weiter machen, auch nicht Trumps Anhänger. Der Warnschuss dürfte bei ihnen ankommen. Mindestens schwächt er die Position der Corona-Leugner, so wie steigende Infektionszahlen hierzulande ja auch die Proteste gegen die Einschränkungen gerade zusammenschnurren lassen. Nichts ist überzeugender als die Realität.
Donald Trump persönlich ist zu wünschen, dass er bald wieder bei seiner Familie sein kann. Und dem amerikanischen Volk, dass es am 3. November davor bewahrt bleibt, erneut einen Präsidenten zu bekommen, der ihre einst so stolze Nation wirtschaftlich, ökologisch, sozial, politisch, moralisch und nun auch gesundheitlich in die Krise treibt.