Neuer Kanal führt von Neurath nach Frimmersdorf Arbeiter graben Schacht für Kanal

Neurath · Auf der größten Kanal-Baustelle der Stadt geht es gut voran. Der Rohr-Vortrieb nach dem „Regenwurm-Prinzip“ auf 450 Metern Länge ist geschafft. Nun haben Arbeiter in acht Metern Tiefe einen Schacht gegraben – bergmännisch mit Spitzhacke. Was es damit auf sich hat.

Abgerundete Metallplatten, Stützen aus Eisen: Ein Blick in den Stollen, den Arbeiter unter der Frankenstraße in Neurath gegraben haben. Er ist inzwischen 14 Meter lang.

Foto: Schröder, Rainer

Als das Martinswerk Mitte der 1980er Jahre die Grube „Prinzessin Victoria“ geschlossen hat und das Braunkohlefeld in einen See verwandelt wurde, war’s das erst einmal: Der Bergbau in Neurath war Geschichte. Bis jetzt. Denn seit einigen Wochen wird in Neurath wieder gegraben. Und zwar unter Tage.

Diesmal geht’s allerdings nicht um Braunkohle, sondern um einen neuen Abwasserkanal. Dafür haben Arbeiter – so wie einst die Bergleute im Ruhrgebiet – einen Stollen gegraben. Dieser unterirdische Tunnel, in dem man aufrecht stehen kann, verläuft in acht Metern Tiefe unter der Frankenstraße, ganz in der Nähe des Rewe-Marktes.

Der Stollen ist 14 Meter lang und von Hand erstellt worden. Darin sollen nun die letzten Röhren für den neuen „Transportsammler“ verlegt werden – jeweils drei Meter lange und acht Tonnen schwere Betonrohre, durch die ab 2025 Abwasser fließen soll. Die Rohre sind stattlich: Sie haben einen Innendurchmesser von 1,60 Metern.

Auf einer weitaus längeren Strecke (nämlich knapp 450 Meter) waren von Juli an die gleichen Rohre im sogenannten Vortriebsverfahren verlegt worden – in etwa zwischen dem Rewe-Markt in Neurath und dem Netto-Markt in Frimmersdorf. All das spielte sich fast unsichtbar in acht Metern Tiefe ab. Im „Regenwurm-Prinzip“ wurde eine Röhre nach der anderen mithilfe kräftiger Hydraulikzylinder und reichlich Schmiermittel in den Boden gepresst.

Dieses Verfahren konnte auf den letzten Metern unter der Frankenstraße jedoch nicht angewandt werden. Der Stollen ist notwendig. Torsten Küpper, Prokurist bei der Gesellschaft für Wirtschaftsdienste Grevenbroich, kann die Hintergründe erläutern.

Zunächst muss man wissen: Um die Vortriebsmaschine aus dem Untergrund bergen zu können, ist eine breite Grube vonnöten. Dafür ist da, wo nun der Stollen gegraben wurde, nicht genug Platz. Grund dafür ist ein Kabelstrang der Telekom, der im Weg liegt und Schaden hätte nehmen können.

Ingenieur Rainer Schröder im August in einer der ersten Röhren, die per Vortriebsverfahren in die Erde gepresst wurden.

Foto: Kandzorra, Christian

Um das zu vermeiden, haben die Arbeiter für die letzten 14 Meter bis zum Ziel auf die konventionelle Methode zurückgegriffen. Beim Graben des Stollens sollen durchaus auch Spitzhacken zum Einsatz gekommen sein. Nun stehen die Arbeiter kurz vor dem Durchbruch. Heißt: Sie haben sich bis an das Ende jener neuen Röhre vorgearbeitet, die bereits in den vergangenen Monaten (allerdings in offener Bauweise) vom ehemaligen Standort der Erfthalle aus kommend quer durch Neurath verlegt worden war. Das Ende war damals zugemauert worden. Jetzt kann der Anschluss erfolgen.

Im Januar werden die Röhren nach vorn geschoben

Wiederum mit reichlich Schmiermittel sollen die tonnenschweren Röhren im Januar durch den Stollen nach vorne geschoben werden. „Das geht mit Seil- und Kettenzügen“, sagt Ingenieur Rainer Schröder vom Aachener Büro „Achten und Jansen“, der mit der Baumaßnahme betraut ist. Im Vortriebsverfahren, das Mitte Dezember abgeschlossen wurde, war das noch anders gegangen. Mit ungeheurer Kraft waren die Röhren von den schweren Hydraulikzylindern Meter für Meter nach vorne gepresst worden. Die dafür nötige Technik ist schon abgebaut worden, für sie gibt es auf der Baustelle Frimmersdorf/Neurath keine Verwendung mehr.

Von dieser Grube aus waren die Röhren in den Boden gepresst worden. Dort soll nun ein Schachtbauwerk entstehen.

Foto: Kandzorra, Christian

Torsten Küpper von der Gesellschaft für Wirtschaftsdienste lobt die Arbeit des Unternehmens „Himmel und Hennig“. Alle Rohre sind genau auf Position, es gibt auf der ganzen Länge lediglich eine Abweichung von zehn Millimetern – das liegt deutlich innerhalb der zulässigen Toleranz. „Es wäre schön, wenn das auf jeder Baustelle so gut funktionieren würde“, sagt Küpper.

Böse Überraschungen hat es in diesem Abschnitt der 4,7 Millionen Euro teuren Baumaßnahme nicht gegeben. Vor einigen Monaten war man im Zuge des offenen Kanalbaus in Neurath auf die Reste eines alten Luftschutzbunkers gestoßen. Das Hindernis musste beseitigt werden, erst dann konnte es weitergehen. „Anwohner hatten uns damals gesagt, dass es im weiteren Verlauf noch einen Bunker geben soll. Deshalb hatten wir ein bisschen Sorge. Aber das hat sich glücklicherweise nicht bestätigt“, erzählt Küpper. Auch auf Findlinge sind die Arbeiter im Verlauf des Vortriebs nicht gestoßen. Das Ganze ging „smooth“ durch.

Jetzt steht der „Rohbau“ für den neuen Kanal zwischen Neurath und Frimmersdorf. Es folgt das „Feintuning“: So muss auf ganzer Länge noch eine keilförmige Abflussrinne eingebaut werden, und auch die Schachtbauwerke fehlen noch. Dabei handelt es sich um verbindende Elemente zwischen den einzelnen Baugruben, die auch später noch etwa für Reinigungs- und Wartungsarbeiten zugänglich sein werden. Zu sehen sein werden am Ende schlicht herkömmliche, runde Kanaldeckel, die einen Abstieg in die Kanalisation ermöglichen.

„Wir gehen derzeit davon aus, dass die gesamte Baumaßnahme im Mai 2025 abgeschlossen ist“, sagt Ingenieur Rainer Schröder. In Frimmersdorf werden im Zuge der Arbeiten noch Häuser an den neuen Kanal angeschlossen, auch steht noch ein Anschluss an einen parallel verlaufenden Mischwassersammler auf dem Plan.

Um die unterirdischen Arbeiten zu ermöglichen, war eine besondere Verkehrsführung auf der Frimmersdorfer Straße zwischen den beiden Dörfern eingerichtet worden. Die Straße ist seit Sommer nur in Richtung Neurath befahrbar. Autos müssen die Gruben, durch die Geräte und Röhren in die Tiefe gelassen wurden, in großen Schlenkern umfahren.