Frau Cordes, Herr Hartnigk, wann haben Sie das letzte Mal in Ihre Kooperationsvereinbarung geguckt?
Interview mit Mirja Cordes und Andreas Hartnigk „Die Autos kriegen wir nicht einfach weggebeamt“
Interview | Düsseldorf · Die Partner CDU und Grüne haben sich zum Thema Mobilität viel vorgenommen. Auto- und Radverkehr bleiben Streitpunkt Nummer eins.
Die Grüne Mirja Cordes und CDU-Ratsherr Andreas Hartnigk sind die beiden führenden Köpfe ihrer Fraktionen und auch tonangebend beim Thema Mobilität. Und darüber wurde bei den Kooperationspartnern so oft und heftig gestritten wie in keinem anderen Bereich. Höchste Zeit für ein Gespräch.
Andreas Hartnigk: Vor vier Wochen. Wir sind dabei, das Thema Mobilität Revue passieren zu lassen.
Wie ging es Ihnen bei der Lektüre des Kapitels zur Mobilität?
Hartnigk: Na ja, ich fühle mich jetzt nicht schlecht. Aber ich bin auch nicht zufrieden. Das hat aber nicht so viel mit uns beiden zu tun, sondern damit, dass wir beide gehofft hätten, dass bestimmte Dinge schneller umgesetzt worden wären.
Mirja Cordes: Bei mir ist es auch noch nicht lange her. Wir machen uns Gedanken über ein neues Programm für die Kommunalwahl und schauen deswegen noch mal rein. Es zeigt sich ein gemischtes Bild. Natürlich sind wir froh, dass ein paar Sachen auf dem Weg sind. Aber ich bin nicht für meine Geduld bekannt. Und aus der Innenperspektive nimmt man eher das wahr, was man gerne auch verwirklicht gesehen hätte.
Sie hatten einen 7,5-Minuten-Takt für die wichtigsten Bahnlinien als Ziel, wollten Park-and-Ride-Plätze ausbauen und sie mit Expressbussen anbinden, ein deutlich besseres Abschneiden im Fahrradklimatest, Radwege durch bessere Organisation schneller bauen, sie versprachen sogar wörtlich: „Das Radhauptnetz mit einer Streckenlänge von über 300 Kilometern werden wir zügig vervollständigen.” Auch für die Schotterpiste an der Cecilienallee sollte eine Lösung da sein, Fahrradzonen eingerichtet werden. Sie sagten zudem Investitionen zu, um die Brücken zu erhalten. Und auch die Ortsumgehung Oberbilk sollte umgesetzt werden. Doch nichts von alledem ist heute Realität. Was haben Sie falsch gemacht?
Cordes: Ich will mal eine Lanze für die Rheinbahn brechen. Natürlich wünschen wir uns höhere Takte. Aber man darf nicht vergessen, dass wir bundesweit darüber reden, dass Angebote eingeschränkt werden. Das passiert bei uns nicht. Als wir das Papier aufgesetzt haben, war die Lage anders. Aber natürlich haben wir andere Ziele.
Aber wo lagen Ihre Fehler?
Hartnigk: Die Probleme bei der Rheinbahn liegen nicht in unserer Hand. Wir leiden unter Personalmangel und Mängeln in der Industrie bei der Fertigung der Fahrzeuge. Und die Brücken haben uns eiskalt erwischt. Da ist der Politik in den vergangenen Jahren häufig gesagt worden: Das ist kein Problem.
Die Liste ihrer Versprechungen war aber länger.
Cordes: Wie gesagt, ich teile die Ungeduld und die Unzufriedenheit. Man kann aber auch nicht sagen, dass nichts passiert ist. Vielleicht haben wir unterschätzt, welchen Abstimmungsbedarf große Radwege-Projekte hervorrufen. Wir sind froh, dass ein paar Projekte auf dem Weg sind. Und wir haben auch die Aufgabe, die Prozesse zu verbessern. So werden wir nicht zur fahrradfreundlichsten Großstadt Deutschlands.
Was muss besser werden?
Hartnigk: Wir könnten schneller werden, wenn wir nicht so viele Beteiligungen hätten.
Cordes: Das finde ich jetzt nicht.
Hartnigk: Es sind zu viele Gremien beteiligt, es kommen immer wieder neue Ideen in einen laufenden Prozess. Ein Radweg ist keine Bundesautobahn, wo ich viele Dinge beachten muss. Das haben wir auch in der CDU-Fraktion unterschätzt. Wir wollten ja viele Menschen beteiligen, auch die Radfahrcommunity selbst. Aber das hat Zeit gekostet. Ich bin auch bereit, hier und da auf die Normbreite zu verzichten. Dann wird der Radweg 50 Zentimeter schmaler, dafür wird er schneller gebaut.
Cordes: Aber sicher sollten die Radwege schon sein. Wir wollen ja ein Radwegenetz, auf dem sich Radfahrende wohlfühlen. Wir wollen Menschen ermutigen, die sich bei der aktuellen Infrastruktur nicht trauen. Und zum Beteiligungsthema: Unser bestes Beispiel ist die Luegallee. Das Projekt gelang, weil wir umfangreich beteiligt haben. Das ist nicht immer so umfassend sinnvoll. Zudem ist es nicht meine Erfahrung aus der Kleinen Kommission Radverkehr, dass es die Verwaltung entscheidend bremst, wenn zusätzliche Hinweise kommen.
Wie könnte es schneller gehen?
Cordes: Wir haben uns von der Übertragung des Radleitrouten-Baus auf die IPM Effizienzgewinne versprochen, die so noch nicht eingetreten sind. Politik, Verwaltung und IPM müssen das besser organisieren.
Hartnigk: Ein wichtiger Punkt ist auch, dass man alle Verkehrsarten gemeinsam betrachten muss. Wir reden jetzt seit 20 Minuten nur über Radfahren. Das ist ein echter Unterschied zwischen uns und den Grünen. Denn wir sehen auch, dass eine Stadt wie Düsseldorf davon lebt, dass sie für Nicht-Radfahrer erreichbar ist. Das betrifft insbesondere Arbeitnehmer, die hier in dieser Stadt arbeiten und einpendeln. Und solange wir im Nahverkehr nicht die Alternativen haben, können wir den Leuten nicht sagen, dass sie nicht mit dem Auto nach Düsseldorf fahren sollen. Da müssen wir noch mal richtig ran in der Region, da gibt es echtes Verbesserungspotenzial.
Cordes: Ich möchte dem Eindruck widersprechen, dass Grüne sich nur um Radfahrende kümmern. Es geht uns um eine vernünftig organisierte Mobilität. Wenn sie so autolastig ist, ist das für niemanden ein Gewinn. Bestes Beispiel waren die Adventssamstage. Dem Ziel des Oberbürgermeisters „staufreies Düsseldorf” sind wir jedenfalls nicht näher gekommen. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass es so nicht weitergeht. Düsseldorf ist etwa im Ranking der lebenswertesten Städte zurückgefallen, weil es eine Unzufriedenheit mit den Themen Wohnen und Mobilität gibt.
Hartnigk: Noch mal zurück zum Advent. Warum kommen die Holländer nicht mit dem Fahrrad nach Düsseldorf? Möglicherweise, weil der Weg aus Maastricht mit dem Fahrrad zu weit ist und weil es keine gescheite Alternative gibt. Und das gilt auch für 330 000 Einpendler am Tag. Deren Bedeutung für die Wirtschaft ist enorm, und sie ist der Faktor für alles, was wir als Stadt auch sozial leisten. Deshalb können wir den Autoverkehr derzeit nicht weiter einschränken.
Cordes: Aber wer im Stau steht, gibt kein Geld aus. Und es geht nicht ums Einschränken. Die Niederländer finden bei uns aber kein wie aus ihren Städten bekanntes System vor, dass sie direkt auf Parkplätze am Stadtrand mit deutlichen Preisunterschieden im Vergleich zur Innenstadt hingewiesen werden.
Was nervt Sie am meisten am verkehrspolitischen Ansatz der CDU, Frau Cordes?
Cordes: Wir wünschen uns noch mehr Veränderung in der Mobilität.
Was nervt Sie am meisten bei den Grünen, Herr Hartnigk?
Hartnigk: Unser Eindruck ist, dass sie zu eindimensional auf das Thema Radfahren ausgerichtet sind. Wir kennen keinen Antrag der Grünen, der sich mit dem motorisierten Individualverkehr befasst. Auch Fußgänger spielen keine große Rolle. Es geht darum, alle Mobilitätsarten in den Blick zu nehmen.
Cordes: Da bin ich ja dabei. Nur ist die Ressource Raum knapp, jeder Quadratmeter kann nur einmal vergeben werden. Und nach wie vor ist Düsseldorf eine autogerechte Stadt. Wenn ich dann mehr für Radfahrer und Fußgänger tun will, komme ich nicht umhin, Flächen anders zu nutzen und zu verteilen.
Hartnigk: Das stimmt. Das heißt aber nicht, dass ich das überall und doppelt und dreifach machen muss. Ich brauche nicht auf jeder Achse eine Radverkehrsanlage.
Die IHK hat ein Kernstraßennetz für den Autoverkehr vorgeschlagen.
Cordes: Da bin ich nicht dabei, wenn so die kürzesten und praktischsten Verbindungen fürs Radfahren nicht möglich sein sollten.
Was wäre anders, wenn Sie mit der CDU eine absolute Mehrheit gehabt hätten, Herr Hartnigk?
Hartnigk: Wir hätten für das Radfahren auf der Kö in beide Richtungen schneller eine Lösung gefunden, verbunden mit dem Wegfall von Stellplätzen, um diesen Bereich für alle erreichbarer zu machen. Da tut sich ja nichts. Aber bei einer absoluten Mehrheit hätten wir eben einen anderen Verkehrsdezernenten gehabt. Mit uns allein hätte es auch keinen Radweg auf der Schadowstraße gegeben. Wir hätten auch nicht überall Tempo 30, wo es das heute gibt. Das bremst ja auch die Rheinbahn aus.
Cordes: Nur kurz zur Schadowstraße: Wir sollten an viel mehr Stellen Rücksicht auf Fußgänger nehmen, und uns nicht an einer Straße festbeißen. Da geht es um zu kurze Ampelschaltungen und zugeparkte Gehwege. Bei der Kö waren wir ja auf einem sehr guten Weg. In Workshops entstand übergreifend ein relativ deutliches Bild. Da sind wir inhaltlich nicht weit auseinander.
Was hätten Sie mit einer absoluten grünen Mehrheit geschafft?
Cordes: Es gäbe mehr Radwege, mehr Grünflächen und mehr Nachbarschaftszonen. Wir hätten für mehr neue Radwege den Wegfall von Parkplätzen eher in Kauf genommen. Zum Beispiel auf der Aachener Straße.
Was hat Sie beim Kooperationspartner am meisten geärgert?
Hartnigk: Wir ärgern uns nicht, wir haben uns auch noch nie angeschrien. Man muss manchmal zur Kenntnis nehmen, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt. So jetzt darfst du draufhauen, Mirja.
Cordes: Am meisten geärgert habe ich mich über das Gerichtsurteil, wonach unser Modell für höhere Gebühren für das Anwohnerparken samt sozialer Staffelung nicht rechtskonform gewesen wäre. Da hätten wir uns anders als die CDU alternative Modelle vorstellen können. Über das Thema Parkgebühren haben wir tatsächlich sehr viel diskutiert. Grundsätzlich haben wir das Ziel, Parken so weit es geht in den privaten Raum zu verlegen. Aber es ist fraglich, ob man jeden einzelnen Parkplatz kompensieren sollte.
Hartnigk: Das ist ein Dissens zwischen uns. Wir wollen den Menschen überlassen, wie sie mobil sind und dazu können auch Autos gehören. Die kriegen wir ja nicht einfach weggebeamt. Die Zulassungszahlen steigen. Auch Carsharing oder Quartiersgaragen können wegfallenden Parkraum nicht schnell auffangen.
Cordes: Uns wird oft vorgehalten, wir wollten den Leuten irgendwas vorschreiben. De facto aber schreiben wir jetzt mehr oder weniger vor, dass man besser nicht mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist, weil es oft extrem unbequem und teilweise auch unsicher ist.
Warum gab es nicht einen einzigen gemeinsamen Haushaltsantrag zum Thema Mobilität?
Cordes: Wir haben das Privileg, dass wir schon viel investieren. Und wir haben ja bereits lange drüber gesprochen, dass wir eher ein Umsetzungsproblem haben.
Sie wollen gar nichts Neues mehr anstoßen? Kein schwarz-grünes Verkehrsprojekt?
Hartnigk: Wir können die Verwaltung nicht überfordern. Es laufen ja gerade die Machbarkeitsstudien für weitere Radleitrouten, wir haben über die anderen großen Themen gesprochen. Es wäre schön, wenn wir endlich die erste Quartiersgarage bekämen. Das Baustellenmanagement muss viel besser werden. Wir haben extreme Herausforderungen mit unserer Infrastruktur.
Cordes: Ich würde mir wünschen, dass ein paar von den Projekten, die wir beschlossen haben, im nächsten Jahr noch auf die Straße kommen. Also erste Teile der Radleitrouten, die Nachbarschaftszone und mehr Mobilitätsstationen.
Bei den aktuellen Verzögerungen vieler Verkehrsprojekte und dem großen Umsetzungsvolumen: Ist das Klimaziel, 2035 in Düsseldorf klimaneutral zu sein, in Gefahr?
Hartnigk: Ich glaube ja. Es wird sehr schwierig, dass Ziel zu erreichen. Wenn wir allein sehen, wie schwer der Austausch der Dieselbusse bei der Rheinbahn werden wird und auch die Aufrüstung der Betriebshöfe bei der Rheinbahn für E-Mobilität. Zudem fallen Fördermittel für E-Mobilität weg, ich weiß nicht, wie die Finanzierung gehen soll.
Cordes: Die Rheinbahn ist ja nur ein kleiner Teil des Ziels. Dahinter versammeln sich gerne alle, solange nur geredet werden muss. Und wenn es um Umsetzung geht, sieht die Sache ganz anders aus. Und gerade der Verkehrsbereich hinkt überall hinter diesem Ziel hinterher. Die politischen Beschlüsse liegen auf dem Tisch, aber die Umsetzung muss schneller gehen.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision von der Mobilität in Düsseldorf aus, sagen wir in 15 Jahren?
Hartnigk: Ich hoffe, dass die Region deutlich besser über Nahverkehr angebunden ist und ihn deutlich mehr Menschen nutzen. So würde der Verkehr flüssiger und die Situation entspannter. Mit besseren Alternativen wird die Bereitschaft steigen, auch vom Auto wegzukommen.
Sie hoffen also auf weniger Autos?
Hartnigk: Schon. Aber solange Düsseldorf Pendlerstadt bleibt, wird sich in 15 Jahren nicht so viel am Mobilitätsverhalten geändert haben. Und ich möchte die Stadt nicht für andere absperren, weil wir uns wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneiden würden.
Eine Citymaut ist mit Ihnen also nicht zu machen.
Hartnigk: Nein.
Cordes: Ich glaube, dass das ein Instrument sein kann, was ja auch andere europäische Städte schon beweisen. Ob das hier sinnvoll wäre, muss man prüfen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir noch vielfältigere Mobilität ermöglichen. Natürlich wird es dann immer noch Autos geben, da haben wir nichts gegen. Aber es wird hoffentlich leichter und komfortabler sein, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV fortzubewegen.