Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf Eine ganze Welt im Wollmantel
Düsseldorf · Stofflichkeit ist ihr großes Thema: Die US-Amerikanerin Sheila Hicks stellt derzeit in der Kunsthalle aus.
Ein wollener Wasserfall stürzt in der Kunsthalle von der Empore hinab, geräuschlos, gelb wie Safran, am Boden sich zu Knäueln fangend. Es sind dicke handgesponnene Fäden, die den Wasserkaskaden Ausdruck verleihen. In der Ecke gegenüber hat eine nette Verknäuelung von Stoffbällen stattgefunden, mehr als 100 werden es sein, zu einem unförmigen Hügel getürmt, in feinen Farbnuancen von Gelb, Weiß und Orange.
In diesem augenfälligen Pomponberg lässt sich die amerikanische Künstlerin Sheila Hicks am Fuße nieder. Mit 90 Jahren ist sie behände, topfit, ausgesprochen extrovertiert und jetzt nach Deutschland gekommen, um wortreich zu erklären, wie sie aus Völkerkunde, Raumgefühl und Meisterhandwerk Kunst mixt.
In Bottrop und Düsseldorf wird dieses ausgefallene, geradezu abseitige Werk gleichzeitig auf tausenden Quadratmetern ausgebreitet. Allerdings – das muss man einschränkend sagen – wird die Ausstellung in ihrer form- und materialverliebten Harmlosigkeit nicht den inhaltlichen Ansprüchen der Düsseldorfer Kunsthalle gerecht. Laut Satzungsauftrag und Tradition soll die Kunsthalle als Kontrapunkt im Gegenüber der klassischen Museen mit eigenen Sammlungen die Gegenwart zeigen und sich bei der Auswahl der Positionen im Kontext von aktuellen Entwicklungen und gesellschaftlichen Diskursen bewegen. Inzwischen erfüllt diesen Anspruch das K20 gegenüber mit seinen Ausstellungen deutlich häufiger als die Kunsthalle.
Es mag auch daran liegen, dass Kunsthallenchef Gregor Jansen seit Monaten nicht mehr im Hause anzutreffen ist. Fragt man nach dem Mann mit leitender Funktion seit 14 Jahren, hört man, er sei krank. Prognosen über seine Rückkehr vermag derzeit niemand abzugeben. 2026 wird sowieso noch einmal alles anders, weil dann die Kunsthalle in eine Sanierungsphase tritt, was bekanntlich dauern kann.
Nun also die bunten Stoffe der Amerikanerin, die dem von Beton dominierten Brutalismus-Bau gut zu Gesicht stehen. Sheila Hicks hat die Welt bereist und nach alten Handwerkstechniken geforscht. Stofflichkeit ist ihr großes Thema wie die Farbe. Hicks fasst gerne alles mit den Händen an; selbst bei Menschen, die in ihrer Nähe stehen, greift sie beherzt zu und tastet sie ab, um zu erfühlen, ob sie eventuell Kaschmir tragen. Sie ist ein Materialmensch, der in den 1950er Jahren noch beim Bauhausmeister Josef Albers studiert hat und ein Atelier in Paris unterhält.
In dieser Ausstellung wird man überrascht, was man alles mit einem Faden machen kann außer Häkeln, Weben, Knüpfen, Verknoten und Stricklieselwürmer Produzieren. Ein bisschen erinnern die meterlangen Fadenwulste von Sheila Hicks genau an diese Produkte des heute längst in Vergessenheit geratenen Maschinchens, das Kinder früher so liebten. Hicks ummantelt ihre Welt, zieht ihr ein Wollkleid über; sie färbt diese Welt in Fröhlichkeit, gliedert architektonisch geschickt den Raum mit übergroßen Zeichen. Der Hicks-Kosmos könnte in einem Zauberland verortet sein oder in einem Märchenbuch. Die oft raumgreifenden Arbeiten sind tatsächlich imposant und schön anzusehen. Nur fehlt ihnen das Geheimnis. Nichts schimmert an Tiefe durch, selbst wenn man lange draufschaut.
Anders sind die winzigen Webarbeiten, die sie Minimes nennt. Mehr als 1000 hat Hicks von diesen persönlichen Tableaus seit Studienzeiten hergestellt, die verschwörerische, indizienreiche, autobiografische und narrative Details aufweisen.
Info Bis 23. Februar 2025, Grabbeplatz 4, zeitgleich im Josef-Albers-Museum Quadrat Bottrop. www.kunsthalle-duesseldorf.de