Konzert im Stahlwerk Massendefekt kann Punk auch melancholisch

Düsseldorf · Zwischen Party-Anspruch und Realität waren Band und Besucher beim Konzert im Stahlwerk hin- und hergerissen. Am Ende blieb etwas Enttäuschung.

Massendefekt, hier beim Eier-mit-Speck-Festival in Viersen.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

(jkle) So viel vorab: Es gibt wohl Leichteres für eine Punkrock-Band, als einen Tag nach der grausamen Amokfahrt in Magdeburg ein Heimspiel-Konzert im Düsseldorfer Stahlwerk zu geben. Und ja, die vier Jungs von Massendefekt aus Meerbusch schaffen es in Punk’n’Roll-Manier und mit ihren deutschen Texten an diesem Samstagabend drei Tage vor Weihnachten, die rund 1500 Zuschauer mitzureißen. Doch: Abseits des kernigen Moshpits, weiter hinten und an den Rändern, wird aus dem Lauthals-Gegröle – „Glaub nicht, dass sich hier irgendwann was ändern kann!“ – ein eher bedächtiges Mitsingen und Mitwippen.

Insgesamt jedoch läuft der Abend rund. Da hüpfen die jungen Wilden der Hamburger Vorband Tyna unter den bunten Flaggen der Diversität zu NDW-Beats, unverblümten Texten und rebellischen Gitarren 40 Minuten auf der Bühne herum, das einem schwindelig wird. Bevor dann pünktlich um 21 Uhr die Rollläden an den Fenstern des Stahlwerks heruntergefahren werden. Dazu läuft eine Ska-Version von „Major Tom (Völlig losgelöst)“ vom Band. Die Fans der vier niederrheinischen Punkrocker um Frontmann Sebastian „Sebi“ Beyer sind sofort da, sofort präsent, sofort eins mit der Band. Allesamt singen sie „Du läufst der Sonne hinterher / Der Hoffnung entgegen.“ Und es sind genau diese Sehnsuchts-Abstrakta, die das Publikum abzuholen scheinen und ihm eine Art Sicherheits-Flankierung geben können. „Sonne“, „Hoffnung“, „Ewigkeit“ oder „Wiederkehr“ sind nur einige Wort-Beispiele, die diesen profan-sakralen Weisheits-Anspruch in sich tragen, ohne allerdings dabei im Gesamttext abgehoben oder gar naseweis zu sein. Die Nummer „Tanz im Nebel“ besitzt aufgrund ihres gedrosselten Tempos einen beinahe schon romantischen Anstrich.

Na klar wird während des Konzertes auch kurz das Fest der Liebe zum Thema: „Das ist ein f…geiler Jahresabschluss. Nehmt euch alle in die Arme, es ist Weihnachten!“, brüllt Gitarrist Nico Jansen ins Mikro, bevor er gekonnt die Obertöne von „Nicht Ok“ in seine sechs Saiten schlägt, und Beyer seine frohe Botschaft mit kratzig-verrauchter Stimme zusammen mit den 1500 anstimmt: „Wenn die ganze Welt wieder mal gegen dich ist / dann bleibe ich bei dir und halt dich fest.“

Nun sind nicht alle Songs der Meerbuscher wahre Meisterwerke, viele instrumentale und melodiöse Strukturen wiederholen sich, das musikalische Potenzial der Band scheint ausgeschöpft, aber eben auch klar abgesteckt zu sein. Wobei mit „Disko“ sogar ein wenig Schlagerbeat Einzug in das Portfolio der vier erhält. Wolfgang Petry auf Pop-Punk ist das, mag man meinen. Das Cover von „Skandal im Sperrbezirk“ zu späterer Stunde macht es nicht viel besser. Schrecklich. Einige der Zuschauer gehen frühzeitig.

Fazit: Viel Meerbuscher Punk’n’Roll, viel Diskolicht. Kein Wort zu Magdeburg. Schade.

(jkle/ha)