Als Hermann mit dem Stummel an den Baum genagelt wurde

Der Mittelaltermarkt konnte in diesem Jahr auf dem Festgelände Imelsbach fortgesetzt werden. Ob die Veranstaltung weiter stattfindet, hängt von der Kostendeckung ab.

Als Hermann mit dem Stummel an den Baum genagelt wurde
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Hinter dem Zaun liegt eine andere Welt. Davor kämpfen die Autofahrer um Parkplätze. Auf der kleinen Seitenstraße Imelsbach ist es geschäftig, wie wohl nie zuvor. Hinter dem Zaun enden die befestigten Wege. Die Erde der Weide ist feucht, die Schuhe versinken leicht in den Spurrillen, die ein Traktor hinterlassen hat. Die Einfamilienhäuser sind hier auf einmal nicht mehr zu sehen. Stattdessen Grün, Menschen in wallenden Gewändern, Zelte, die ganz ohne Plastik auskommen. Und ein großer Haufen Erde und Holz. In der Spitze steckt ein Holzkreuz. Ein Scheiterhaufen.

„Nein, nein, hier wird heute niemand verbrannt“, sagt Martin Vogt-Müller lachend. Die Frage hat er schon öfters gehört. Der Dreck musste für die Pferde weichen. Aufgetürmt ergibt sich dieses Bild — eine glückliche Fügung, wie Martin Vogt-Müller findet. Gemeinsam mit seiner Frau Helga hat der Burscheider viel Herzblut hineingesteckt, dass der Mittelaltermarkt so authentisch wie möglich wirkt. Er muss es wissen.

Der Mittelaltermarkt in Bildern
34 Bilder

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Seit 30 Jahren ist Martin Vogt-Müller Fan der Mittelalterszene. Im Ritterkostüm traf er seine Helga — und die Liebesgeschichte nahm ihren Lauf: mittelalterliche Hochzeit, ein Haus mit vielen Bögen, Säulen und altertümlicher Dekoration. Doch auch als Mittelalter-Fan muss man sich mit der Gegenwart auseinandersetzen. Mit dem Strom will es nicht so recht klappen. Da müsse man woanders was anzapfen, sagt Martin Vogt-Müller lapidar zu einem Mitglied des Organisationsteams. Was die Authentizität angeht, sei man nicht ganz so fanatisch. Elektrizität gehört dazu. „Es geht um Spaß und Freude. Wenn man alles zu ernst nimmt, geht viel Freude verloren“, sagt Martin Vogt-Müller.

Schaut man sich auf der Weide um, sieht man niemanden, der Trübsal bläst. Zwei Jungs verbinden sich die Augen und versuchen mit einem Sack nach dem anderen zu schlagen. Es wird gelacht. Die Eltern feuern ihre Sprösslinge an, die sich, um sich zu ducken, auf den feuchten Boden werfen. Ein paar Meter weiter legt eine Wahrsagerin Karten. Vitek Prochazka und Lukas Filler, die eigens aus Tschechien angereist sind, sind in die Rolle der Gaukler geschlüpft. Sie werfen sich Kegel zu.

Ein bisschen Slapstick ist auch dabei. Florian Gessner aus Windeck töpfert an seinem Stand Waldschrate. „Das sind Wurzelwesen aus der bayrischen Mythologie. Sie waren es immer Schuld, wenn damals Menschen beim Baumfällen vom Baum erschlagen wurden.“

Mythen und Legenden haben ihn schon immer fasziniert. Die kleine Frieda Jaeckel bekommt derweil große Augen. Begeistert beobachtet die Einjährige, wie Ritter versuchen, im Galopp mit der Lanze Ringe einzusammeln. „Die Kinder finden das super. Vor allem wegen der Rüstungen“, sagt Mutter Anna Jaeckel. Mittlerweile haben sich alle Besucher am Rande des Turnierfeldes eingefunden. Dort wird die Geschichte von Hermann mit dem Stummel nacherzählt. Eine historische Figur Burscheids, die Wegelagerei betrieb und als Strafe gar nicht weit vom Veranstaltungsort an einem Baum genagelt wurde. So bekam die Ortschaft Nagelsbaum ihren Namen.

Allzu brutal geht es im Imelsbach natürlich nicht zu. Witze werden gerissen. Ein Ritter, der angetrunken spielt, fällt im Galopp fast vom Pferd. Martin Vogt-Müller beobachtet das Geschehen von einer Anhöhe aus. Dort hat er einen guten Blick auf die 23 Stände. Einige Schausteller, die sich angemeldet hatten, sind doch nicht gekommen. Bei dem wechselhaften Wetter lohne sich die Anfahrt nicht. Das Wetter wird auch entscheiden, ob es eine Neuauflage des Mittelaltermarktes im Imelsbach 2016 geben wird. Hält der Regen die Besucher fern, wird es knapp. Auch der Bauernmarkt in Burscheid und der Zöppkesmarkt in Solingen könnten einen Strich durch die Rechnung machen. „Wir sind mit 20 000 Euro privatem Geld im Vorleistung getreten“, erzählt Martin Vogt-Müller. „Kommen wir bei plus minus null raus, machen wir es noch mal. Wenn nicht, dann nicht.“