Axel Freimuth: "Querdenker sind erwünscht"
Uni-Rektor Axel Freimuth legt bei seinen Studenten Wert auf Qualität.
Köln. Bergischer Volksbote: Herr Professor Freimuth, wie beurteilen Sie Köln als Bildungs- und Wissenschaftsstandort?
Axel Freimuth: Köln liegt mit seiner Hochschullandschaft und den vielen Forschungseinrichtungen deutschlandweit ganz vorne. Wir haben hier eine große Universität, eine sehr große Fachhochschule, die einzige deutsche Sporthochschule und eine ganze Reihe von privaten Hochschulen.
Von den zwölf Max-Planck-Instituten in NRW stehen vier hier in Köln. Dazu kommen drei Helmholtz-Zentren wie zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Köln kann sich sehr gut sehen lassen. Das zeigen auch die aktuellen Positionen bei den wichtigsten Rankings. Köln hat als Bildungs- und Forschungsstandort nicht nur Potenzial, sondern nutzt es auch.
Freimuth: Der Standort hat sich hervorragend weiterentwickelt. Wir sind in Deutschland anerkannt als eine der dynamischsten Universitäten. Um Zahlen zu nennen: Bei den Forschungsdrittmitteln, die zum Beispiel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder vom Bund kommen, lagen wir 2005 bei 70 Millionen Euro. Heute sind das 110 Millionen Euro im Jahr. Das ist eine gigantische Entwicklung. Durch die Neuansiedlung von Instituten wird sich die Forschungsleistung weiter verbessern und den Standort auch künftig weiter stärken.
Freimuth: Bei den Studierenden sind wir einer der beliebtesten deutschen Standorte. Wir haben hier eine Nachfrage von 90 000 Studienplätzen im Jahr und vergeben 6000. Bei den Masterstudiengängen gibt es ein gewisses Problem. Das liegt nicht daran, dass wir unsere eigenen Studierenden nicht gerne weiter hier haben wollen. Aber es gibt eine immense Zahl von Bewerbungen und wir müssen die Plätze nach objektiven Kriterien vergeben. Die hohe Nachfrage gibt es übrigens nicht nur bei den Studierenden sondern auch bei den Nachwuchskräften für die Universität, was essentiell für die langfristige Entwicklung und Finanzierung eines Standorts ist.
Freimuth: Die Studienbeiträge haben der Stellung der Lehre in der Universität einen deutlichen Schub gegeben. Sie sollen nun durch Landesmittel kompensiert werden. Unser Etat soll sich daher nicht verringern. Um das Ganze zu finanzieren, müssen jetzt aber wieder Kredite aufgenommen werden. Damit müssen die Studierenden auf einem gewissen Umweg das Geld doch wieder zurückzahlen. Außerdem hätte man die nun notwendigen Kompensationszahlungen besser an anderen Stellen wie den Kindergärten oder den Schulen eingesetzt, weil dort die soziale Selektion wirklich stattfindet. Deshalb ist es falsch, die Studiengebühren abzuschaffen.
Freimuth: Dazu liegt aktuell eine von der Kölner Wissenschaftsrunde initiierte Studie vor, die sich auf die gesamte Hochschullandschaft der Stadt bezieht. Die direkte Wirtschaftskraft liegt demnach bei mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Das ergibt sich aus der direkten hohen Nachfrage. Dazu kommen viele Investitionen im Baubereich, die alleine hier an der Uni in den kommenden fünf Jahren bei einer halben Milliarde Euro liegen.
Freimuth: Die Stadt wächst im Segment der 20- bis 30-Jährigen und das sind Studenten. Von denen bleiben mehr als 60 Prozent in der Stadt. Damit bilden die Hochschulen einen extrem wichtigen Motor für Köln. Die Zeiten, in denen die Leute den Firmen hinterher laufen, neigen sich dem Ende zu. Firmen siedeln sich heute in den Standorten an, an denen es einen gut ausgebildeten Nachwuchs sowie gute Bildungs- und Kulturperspektiven gibt.
Freimuth: Mit 700 Existenzgründungen stehen wir ganz gut da. Der Erwartungshaltung, dass wir für kleine mittelständische Unternehmen die Forschung übernehmen, können wir so nicht gerecht werden, weil das mit der Grundlagenforschung, die wir an der Uni leisten, meist nur wenig zu tun hat. Trotzdem sind Netzwerke zwischen Hochschulen und der Wirtschaft wichtig, um mögliche Schnittstellen erkennen und nutzen zu können.
Die Erwartungen müssen aber auf beiden Seiten immer realistisch bleiben. Mir sind wenige gut funktionierende Projekte lieber, als hochtrabende Pläne mit einem großen Apparat. Unsere Transferleistung in die Praxis hinein ist aber trotzdem gigantisch, wenn man an die tausenden gut ausgebildeten Absolventen denkt, die die Universität jedes Jahr verlassen und in der Wirtschaft große Impulse setzen. Das ist nicht selbstverständlich.
Freimuth: Die Attraktivität ist im Standort bereits schon angelegt. Im Gegensatz zu München und Berlin fällt bei uns die Bevölkerungsdichte am Stadtrand nicht einfach auf null ab. Wir leben in einer der sogenannten mega-urbanen Regionen mit 15 bis 20 Millionen Einwohnern in der unmittelbaren Nähe.
Die Universität selbst muss heute in der Forschung international konkurrenzfähige Bereiche entwickeln. Sie muss herausragende Einzelpersönlichkeiten haben, die eine Strahlkraft entwickeln und die innovativ sind. Für eine Uni ist es zudem immer wichtig, nicht nur Mainstream zu erzeugen, sondern originelle kreative Köpfe zu haben. Da sind Querdenker durchaus erwünscht.
Außerdem kommt es nicht auf die Zahl, sondern maßgeblich auf die Qualität der Studiengänge an, die man anbietet. Sie müssen den Bedürfnissen der Studenten entsprechen. Eine hohe Nachfrage werden wir immer haben. Wichtig ist es aber, gute Leute zu bekommen.