Beim Hausbau an der wilden Wiese packten alle mit an
Siedler aus ganz Deutschland errichteten das Wohngebiet in Eigenleistung. Johannes Waldmann war damals dabei.
Burscheid. "Wie im Märchen" titelte die Bergische Post am 18. September 1965 ihren Bericht über die Fertigstellung von 21 Siedlerhäusern in der Wahner Delle, oberhalb der Thielenmühle. Ein "Märchen", das nur wahr werden konnte, weil alle Siedler buchstäblich an einem Strang zogen, um sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen.
Das Wohngebiet Wahner Delle, so benannt nach einem Ratsbeschluss vom 29. Januar 1963, zweigt von der Straße In der Dellen ab und führt tief hinab ins Tal, ein beschauliches Wohngebiet ohne Durchgangsverkehr. Die Bezeichnung "Delle" ist hier noch sinnfälliger. Die Siedlerhäuser "unten an dieser wilden Wiese", so Stadtdirektor Ebeling beim Abschlussfest am 25. September 1965, wurden in den Jahren 1962 bis 1965 in Eigenleistung mit dem Niklaus-Ehlen-Werk gebaut.
Niklaus Ehlen (1886-1965) hatte angesichts der großen Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg ein Siedlungsprojekt für kinderreiche Familien entwickelt. In Burscheid war es die erste Baumaßnahme dieser Art, eine zweite folgte zehn Jahre später in Hilgen.
Den Siedlern in der Wahner Delle, die aus allen Regionen Deutschlands kamen, stellte das Niklaus-Ehlen-Werk Grundstücke von 700 bis 1100 Quadratmeter zur Verfügung, finanziert durch die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft der Rheinischen Braunkohle. Die Häuser wurden nach gleichem Plan und Grundriss errichtet und anschließend verlost. Der Innenausbau war frei und dem Idealismus, dem Engagement und Geschmack der Siedler überlassen. Betreut wurden die Siedler von Jean Bury, dem bauleitenden Architekten, von Niklaus Ehlen selbst und Dr. Paul Dahm von Siedlungswerk.
Das Raumprogramm war sinnvoll und praktisch. Jedes Haus verfügt über 102 Quadratmeter Wohnfläche: im Erdgeschoss zwei Kinderzimmer, Vorratsraum, Heizungsraum, Waschküche und ein kleiner Stall, der allerdings nicht von allen Siedlern als solcher genutzt wurde. Im Obergeschoss ein großes Wohn- Esszimmer, Küche, Schlafzimmer und Bad.
Alle Häuser waren mit einem leicht geneigten Flachdach versehen. Während einige durch Umbauten und Satteldach ihr ursprüngliches Gesicht verändert haben, ist bei Johannes und Anneliese Waldmann noch das alte Konzept erkennbar.
Der gelernte Maurermeister sagt noch heute voller Stolz: "Wir haben alles gemeinsam gemacht - im Urlaub, nach Feierabend und samstags, huben die Baugruben aus, mauerten, verputzten, legten Leitungen. Wer noch nie gemauert hatte, wurde angeleitet."
Erleichtert wurde das gemeinsame Vorhaben dadurch, dass fast alle zum Hausbau notwendigen Berufe in der Siedlungsgemeinschaft vorhanden waren: ein Maurer, zwei Elektriker, ein Installateur, ein Schreiner mit Erfahrungen im Verschalen, ein Dachdecker, ein Polier, ein Gärtner, ein Maler. Auch die Frauen legten mit Hand an: "Sie stemmten die Schlitze für die Elektroleitungen, um die Männer zu entlasten." Nachdem das letzte Haus fertig gestellt war, wurde gefeiert und hoffnungsfroh in die Zukunft gesehen. "Segen ist der Mühe Preis", verkündete ein Spruchband über dem Festzelt.
Inzwischen sind 45 Jahre vergangen, die alten Siedler sterben aus. Johannes Waldmann: "In etwa der Hälfte der Häuser wohnt nun schon die zweite oder sogar die dritte Generation."
Hiermit endet die Serie "Aufs Schild geschaut", die Heimathistorikerin Marie-Luise Mettlach fast genau zwei Jahre betreute.