Messerstecherin bleibt in der Psychiatrie
Dass der Mutter ihr kleiner Sohn durch die Polizei entrissen wurde, sieht das Gericht als Auslöser der Bluttat.
Köln/Burscheid. Die 39-Jährige rang sichtlich um Fassung, als der Vorsitzende Richter ihre Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie anordnete. Emotional endete der Prozess gegen die Tochter, die im vergangenen September versucht hatte, ihren Vater und ihre Stiefmutter in deren Garten in Burscheid zu töten. Ihre Mandantin habe trotz aller Aussichtslosigkeit bis zum letzten Moment auf eine Bewährung gehofft, so Verteidigerin Julia von Dreden.
Doch auch die anderen Prozessbeteiligten blieben nicht unberührt. Der Staatsanwalt sprach von menschlicher Tragik und auch der Richter fand mitfühlende Worte. Die Angeklagte habe fast 40 Jahre unbescholten und sozial integriert gelebt. Sie habe bis zur Geburt ihres Kindes immer gearbeitet. "Die Tat ist nur durch die Erkrankung erklärbar und wir haben versucht, das den Opfern nahezubringen."
Der Sachverhalt liege "offen auf dem Tisch", so der Richter. Lückenlos hatte die Verhandlung ergeben, wie es zu der schrecklichen Bluttat gekommen war. Die Angeklagte hatte eine schöne Kindheit gehabt, doch dann verstarb die Mutter ganz überraschend an einem Herzinfarkt. Am 18. Geburtstag der Angeklagten wurde die Mutter beerdigt. Zwei Jahre später heiratete der Vater seine Arbeitskollegin. Schon früh keimte in der Angeklagten der Verdacht auf, dass Stiefmutter und Vater schon zu Lebzeiten ihrer Mutter ein Verhältnis gehabt hätten.
Zunächst ging für die 39-Jährige das Leben normal weiter. Sie heiratete 2003 und bekam einen Sohn. Doch 2005 zerbrach, für die Angeklagte völlig überraschend, ihre Ehe. Ihr Mann soll mitten in einem gemeinsamen Umzug seine "Neue" präsentiert haben. Dadurch, so die Gutachterin, sei die alte Wunde der neuen Frau im Leben des Vaters wieder aufgebrochen.
2007 erfolgte die Scheidung, doch der Streit um den gemeinsamen Sohn tobte erbittert bis Juli 2009 weiter. Dann befand eine Gutachterin, dass bei der Angeklagten ein erweiterter Selbstmord nicht auszuschließen sei. Daraufhin wurde der Angeklagten der Sohn buchstäblich durch die Polizei aus den Händen gerissen.
Dieser zermürbende Streit mit dem Ex-Mann, so das Gericht, hätte auch einen gesunden Menschen schwer mitgenommen. Umso mehr traf es die psychisch labile Frau, die fortan glaubte, dass sich alle gegen sie in einem Komplott verschworen hätten. Die schlummernde Psychose brach aus. In ihrem Wahnsystem gab es noch viele Feinde neben der Familie, zum Beispiel Ärzte, das Jugendamt und Rechtsanwälte.
Genau darum wurde die Frau auch als Gefahr für die Allgemeinheit befunden. In einem psychotischen Schub könne sie jeden Menschen, der mit ihr in Beziehung trete, als Feind wahrnehmen und vehement attackieren. Das besonders Tragische daran ist, dass die Frau nach Meinung der Gutachterin überdurchschnittlich hoch auf schützende Außenbeziehungen angewiesen sei, sich aber durch die paranoide Schizophrenie völlig verschließe.
Das Gericht hatte keinen Zweifel daran, dass die Angeklagte die Taten in Tötungsabsicht begangen habe. Sowohl der Richter als auch der Staatsanwalt appellierten an die Angeklagte, sich der Hilfe und den Medikamenten in der Psychiatrie nicht zu verschließen und die Unterbringung als Chance anzusehen.
Dann sei es auch durchaus möglich, dass sie eines Tages Lockerungen erhalte. "Vielleicht werden Sie sogar wieder da leben können, wo Sie es wollen. Und dann gibt es durchaus die Perspektive, dass Sie wieder Kontakt zu Ihrem Sohn haben können."