Die Chance auf ein besseres Leben

Es ist nur ein Ein-Euro-Job — aber für Barbara Marciszuk auch eine neue Perspektive. Und sie erfährt viel Hilfe auf dem Weg zurück in die Berufswelt.

Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.

Marie-Luise Kaschnitz

Burscheid. Barbara Marciszuk bügelt. Das klingt so alltäglich. Aber mit dem Bügeleisen hält die 36-jährige Polin auch die Chance auf ein besseres Leben in der Hand. Und die will sie jetzt nicht mehr loslassen.

Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder bügelt im Obergeschoss der Caritas-Kindertagesstätte Sonnenblume in Hilgen. Die Arbeit ist Teil ihres Ein-Euro-Jobs, den sie Ende Oktober angetreten hat. 20 bis 25 Stunden Arbeit pro Woche, ein Euro Lohn pro Stunde — „Bist du verrückt?“, hat eine Bekannte gesagt und gelacht. „Ich muss alles versuchen“, hat sie entgegnet.

Barbara Marciszuk lebt seit 2011 von Arbeitslosengeld II. So heißt das offiziell. Auf der Straße sagen sie noch immer Hartz IV. Beim Jobcenter hat sich lange niemand für die Politologin aus Lublin interessiert. Und Hilfe einzufordern, gehörte noch nie zu ihren Stärken. Dann gab es einen Zuständigkeitswechsel — und prompt das erste Jobangebot. Für sie war das ein Glücksfall.

Davon hatte Marciszuk in ihrem bisherigen Leben noch nicht allzu viele. Als sie im vergangenen Jahr das erste Mal die Räume der Sonnenblume betrat, war gerade Teil 8 der BV-Serie „Michas Klasse“ erschienen. Es ging um ihren Weg zwischen Polen, Deutschland und Italien, die Suche nach Lebensglück und die vielen Enttäuschungen dabei. „Es gibt viele Migrationsgeschichten ohne Happy End. Ihre wartet auch noch darauf“, so stand es damals in dieser Zeitung.

Auch in der Sonnenblume war der Artikel aufmerksam gelesen worden. Und vielleicht war damit die Basis gelegt, genauer hinzuschauen, hinter manchem scheinbar schroffen Auftreten nicht gleich den Affront, sondern auch eine Schutzhaltung zu vermuten. Jedenfalls sagt Barbara Marciszuk heute: „So nette Leute, die mir mit so viel Respekt begegnen, hatte ich vorher noch nie getroffen. Wir sind hier wie eine Familie.“

Es geht nicht nur um das Wohlfühlen, um manche Unterhaltung auf Polnisch, die in einer katholischen Gemeinde schnell möglich ist. Es geht auch um Zutrauen. Irgendwann sei die Einrichtungsleiterin Brigitte Sartingen-Kranz mit der Idee auf sie zugekommen, doch vielleicht eine Erzieherinnenausbildung anzustreben. Seither sieht Barbara Marciszuk für ihr Leben eine neue Perspektive.

Beim Tag der offenen Tür des Geschwister-Scholl-Berufskollegs in Leverkusen Ende Januar hat sie sich informiert, angemeldet ist sie auch schon, jetzt geht es bei der Bezirksregierung Köln um die Anerkennung der polnischen Abschlüsse. Ist das durch, würde ein sechsmonatiges Vorpraktikum genügen, um mit der Ausbildung starten zu können. Und als das könnte der Ein-Euro-Job anerkannt werden.

Mittlerweile hat auch das Jobcenter erkannt, welche Möglichkeiten sich hier gerade eröffnen, und die seltene Genehmigung erteilt, die Arbeit in der Sonnenblume über das übliche halbe Jahr hinaus bis August zu verlängern. Damit stellt sich Barbara Marciszuk gegen die Erkenntnisse der Arbeitsmarktforscher. Die bescheinigten den Ein-Euro-Jobs gerade erst wieder in einer Studie, nur selten Brücken zum Arbeitsleben zu schlagen und kaum eine Hilfe bei der gesellschaftlichen Integration zu sein.

Parallel zu ihren neuen beruflichen Perspektiven hat die dreifache Mutter aber in den vergangenen fünf Monaten auch viel weitergehende Unterstützung erfahren — institutionell und privat. Einmal hat sie von ihrem Traum erzählt, noch den Führerschein machen zu können. „Ich habe das gesagt wie ein Kind, das etwas will, was zu teuer ist, und weiß, dass es das daher nicht bekommen kann.“ Inzwischen hat die Abteilung Stiftungszentrum des Erzbistums Köln eine Einzelfallhilfe gewährt. Weiteres Geld kam aus der Gemeinde selbst. Jetzt kann Barbara Marciszuk konkreter träumen: „Vielleicht schaffe ich den Führerschein ja, bis im August die Ausbildung am Berufskolleg anfängt.“

Auch aus der Einrichtung und ihrem Umfeld kommt immer wieder Hilfe: ein ordentliches Kinderbett für den fünfjährigen Giuseppe, der noch immer im zu kleinen Gitterbett schlafen musste, Kinderkleidung, eine Couch, gute Möbel. Ein funktionierendes Netzwerk, das die Polin so noch nie erlebt hat. Nächstes Projekt ist die bevorstehende Kommunion von Simona, der neunjährigen Tochter aus „Michas Klasse“.

Ihre Mutter weiß, dass es noch viel zu tun gibt: Sie muss weiter an ihren Sprachkenntnissen arbeiten, ohne die eine Zukunft als Erzieherin nicht denkbar ist. Sie muss die Verantwortung für ihre Kinder koordinieren mit den zeitlichen Anforderungen einer Ausbildung. Aber sie sagt: „Ich hoffe, meine Schwierigkeiten sind vorbei.“

Und sie hat eine weitere Hoffnung, die sie mit vielen Müttern teilt: dass ihre Kinder einen guten Weg für ihr Leben finden. „Vielleicht haben sie es etwas leichter als ich. Ich wünsche mir das.“