Etatverabschiedung im Rat - Die Schweigbrecher

Fast hätten die Fraktionen zur Etatverabschiedung keine Reden gehalten. Doch dann gibt es doch fünf Wortmeldungen.

Burscheid. Das Haus der Kunst taugt eigentlich nicht für Revolutionen. Die gute Stube der Stadt verströmt den etwas in die Jahre gekommenen Geist der Kontinuität. Doch an diesem Nachmittag liegt für einen Moment Widerstand in der Luft, Verweigerung, der Bruch mit dem „So wie immer“. Es ist der Tag der Haushaltsverabschiedung — und die Politik schweigt.

Zumindest war das die Idee. Geboren im Hauptausschuss vor einer Woche. In die Runde geworfen von Gerd Pieper (UWG) und Michael Baggeler (BfB). Was soll man auch noch Neues sagen zu einem Finanzloch, das dem städtischen Haushalt seit Jahren anhaftet wie ein klebriger Kaugummi unter der Schuhsohle, den man nicht mehr loswird? Was soll man noch dazu sagen — und vor allem: wem? In den Zuschauerreihen der Ratssitzung verlieren sich sechs Gäste, drei davon aus der Verwaltung und den Technischen Werken.

Aber die SPD mag sich im Vorfeld zu einem Redeverzicht nicht durchringen. Schließlich ist bei den Haushaltsdebatten im Bundestag immer von Generalabrechnungen die Rede. Und ein bisschen will Fraktionschef Dieter Müller auch im Rat die Opposition hochhalten.

In seinem Schlepptau kommt Sabine Wurmbach (Grüne) ins Grübeln, ob man nicht deutlich machen müsse, dass es unterschiedliche Parteien gebe. Weil er sich nicht sicher sein kann, dass niemand von den anderen redet, setzt sich Jörg Baack (CDU) am Wochenende doch hin und verfasst sechs analytische Seiten.

Gerd Pieper, einer der Wortführer des Redeverzichts, wird im Rat gleichwohl vom Bürgermeister als Erster aufgefordert, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Er dampft sein Rederecht zu einigen Anmerkungen ein und knurrt für die Wählergemeinschaft nur in die Runde, letztendlich spiele es keine Rolle mehr, „ob wir dem Haushaltsplan 2011 zustimmen, ihn ablehnen oder mit Enthaltung stimmen“.

Auch Rolf Mebus (FDP) verknappt seine Stellungnahme auf die lapidare Feststellung, eine Rede könne nur den Zustand beschreiben, „dass kein Geld da ist und letztlich alles durch Überziehung des laufenden Kontos bezahlt wird“.

Sabine Wurmbach versucht, keine Haushaltsrede zu halten, aber dennoch die erste Attacke zu reiten. Sie prangert die Verschwendung von Steuergeldern „für ein vollkommen unnötiges und klimaschädliches Baugebiet“ an und bezieht sich dabei auf Benninghausen-Nord. Die Mehrheit des Rates habe sich „vor den Karren privater Spekulanten spannen lassen“.

Einzig Michael Baggeler will sich der Fraktion der Schweigbrecher partout nicht anschließen und bleibt bei seiner Weigerung, „die Not gebetsmühlenartig zu beklagen“.

Auftritt Dieter Müller. Weil die Reihenfolge der Reden von Klein nach Groß geändert worden war, haben ihm die Grünen schon ein bisschen Wind aus den Segeln genommen. Auch er arbeitet sich an Benninghausen-Nord ab, spricht davon, dass der Sparwille damit erst mal ausgesetzt worden sei. Und er hält Caplan vor, mit der Stilllegung des Spielplatzes Königsberger Straße Vertrauen der Bürger zerstört zu haben.

Jörg Baack, durch einen Stau verspätet, rechtfertigt zunächst seinen ausgefeilten Beitrag: „Der Verzicht auf die Haushaltsrede könnte nach einer Kapitulation aussehen, und das haben wir trotz der fehlenden Perspektiven nicht vor.“ Zahlenreich belegt er seine Kernaussage: „In der Gesamtbetrachtung bringt es überhaupt nichts, Defizite nur auf andere staatliche Ebenen zu verlagern.“ Stattdessen müssten auch Landes- und Bundespolitiker begreifen: „Nicht alles Wünschenswerte ist finanzierbar.“

Wie realistisch das ist? Darüber breiten die Redner den Mantel des Schweigens.