FM-Betriebsrat: „Ich sehe Licht am Ende des Tunnels“

Nicole Ilbertz und Thomas Hahn über Gewerkschaften, Streit und eine neue Perspektive.

Foto: Siewert, Doro

Burscheid. Nach der Betriebsratswahl bei Federal-Mogul sind die beiden alten Lager der IG Metall und der Demokratischen Metaller weiter annähernd gleich stark, werden aber jetzt an der Spitze des 17-köpfigen Gremiums auch entsprechend durch die Vorsitzende Nicole Ilbertz und ihren Stellvertreter Thomas Hahn gleichberechtigt repräsentiert. Ein Interview zum heutigen Tag der Arbeit.

Herr Hahn, der 1. Mai ist der Tag der Gewerkschaften. Sie sind aus der IG Metall ausgetreten. Haben die Gewerkschaften für Sie an Bedeutung verloren?

Thomas Hahn: Nein. sie sind gerade jetzt wichtiger denn je: als Gegenpart zum Arbeitgeber, wegen der Globalisierung, in Sachen Leiharbeiter, Arbeitszeit oder Rente mit 63. Diese Themen haben aktuell eine große Bedeutung. Aber ausgetreten sind Sie trotzdem.

Hahn: Das hatte Gründe, auf die ich hier nicht noch mal eingehen möchte. Ich habe mich klar dafür ausgesprochen, mit Nicole Ilbertz aus den zwei Lagern heraus Gemeinsamkeiten zu finden, um mittelfristig wieder einen Betriebsrat hinbekommen, der eine einheitliche Sprache spricht. Und wenn es mal eine 9:8-Abstimmung gibt, dann aus der Diskussion heraus und nicht aufgrund irgendeines Lagerdenkens.

Frau Ilbertz, wie sehr bewegt Sie als aktives IG-Metall-Mitglied die gewerkschaftliche Organisation innerhalb der Belegschaft?

Nicole Ilbertz: Im Zuge der Auseinandersetzungen rund um die Betriebsratswahl 2010 gab es eine kleine Austrittswelle, die ich fragwürdig fand, weil Betriebsratsarbeit und Gewerkschaft erst einmal nichts miteinander zu tun haben. Damals hat mich das schon bewegt, aber inzwischen hat sich das wieder ausgeglichen und wir arbeiten daran, weitere Mitglieder zu bekommen.

Wie hoch ist der Organisationsgrad?

Ilbertz: Er sieht gut aus, deutlich besser als 2010.

Geht es auch konkreter? Ilbertz (lacht): Nein.

Ist es insgesamt schwerer geworden, Arbeitnehmer für ihre Interessenvertretung zu gewinnen? Hahn: Ja und nein. Bei den von vornherein Interessierten hat man nach wie vor leichtes Spiel. Bei denen, die man erst interessieren muss, kann es eher passieren, dass dieses Interesse wieder abbricht. Spätestens bei unangenehmen Arbeiten trennt sich die Spreu vom Weizen.

Nicole Ilbertz

Ilbertz: Bei Leiharbeitern und den Befristungen geht es erst mal oft um Aufklärung über den Unterschied von Gewerkschaft und Betriebsrat. Wenn sie persönlich betroffen sind, ist das Interesse auch groß. Schon bei unseren Auszubildenden merke ich aber, dass der Wert gewerkschaftlicher Arbeit in der Schule offenbar nicht ausreichend vermittelt wird. Die schwierigste Klientel sind Mitarbeiter, die schon lange im Unternehmen sind. Bei der Betriebsratsarbeit gibt es auch Unterschiede zwischen den Gewerblichen und den Angestellten. Die Angestellten regeln ihre Angelegenheiten eher allein.

Ausschlaggebend ist sicher auch, welches Bild die Interessenvertretung abgibt. Vor vier Jahren gab es große Zerwürfnisse, jetzt scheint es zwischen IG Metallern und Demokratischen Metallern friedlicher zuzugehen. Stimmt der Eindruck?

Hahn: In der Vergangenheit haben einige Personen polarisierend gewirkt. Das Entscheidende aus meiner Sicht: Es gibt einen Wählerwillen, der in etwa bei einem Verhältnis 50:50 liegt. Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung ist dann eine Menge Arbeit geleistet worden, gerade auch von Nicole, um eine Gemeinsamkeit hinzukriegen. Als es schließlich das einstimmige Votum für die neue Betriebsratsspitze gab, war das schon Gänsehautstimmung. Auch wenn die Abstimmung kein Freifahrtschein ist, dass das jetzt immer so ausgeht.

Also steht man erst am Anfang des Annäherungsprozesses?

Ilbertz: 2010 ist die Gewerkschaftsfrage beim Betriebsratskonflikt instrumentalisiert worden. Inzwischen sind ja auch einige Demokratische Metaller wieder in die IGM eingetreten. Beim Wahlkampf in diesem Jahr hat sich jede Seite mehr auf sich selbst konzentriert. Natürlich war das Wahlergebnis dann für alle ein Schlag ins Gesicht. Und bis zuletzt gab es auch Konflikte. Aber gerade jetzt haben wir beim Aufsichtsrat wieder eine Lösung gefunden, bevor es ausgeartet ist. Wir fangen neu an, auch wenn es noch Misstrauen gibt. Die Prognose ist positiv.

Thomas Hahn

Hahn: Wie soll ich einem Wähler auch erklären, dass wir uns weiter was auf die Glocke hauen? Unser Auftrag muss sein, uns ohne Lagerdenken um die Mitarbeiter zu kümmern — in Zusammenarbeit mit der IG Metall. Da sehe ich Licht am Ende des Tunnels.

Ist Ihr Wiedereintritt in die Gewerkschaft denkbar?

Hahn: Man soll niemals nie sagen. Aber es muss nicht heute sein.

Was machen Sie am 1. Mai?

Ilbertz: Ich nehme an der DGB-Demonstration in Köln teil.

Hahn: Ich fahre nach Holland.