Gewalt-Prävention: Polizei setzt jetzt auf die Schulen
Vier Unterrichtsfilme und ein Begleitheft unter dem Titel „Weggeschaut ist mitgemacht“ erhalten alle weiterführenden Schulen im Kreis.
Burscheid. Jeder fünfte Jugendliche ist in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Gewalt geworden. Und jeder dritte davon wurde bei den Attacken schwer verletzt.
Diese Dunkelziffer-Schätzung des Kriminologischen Forschungsinstituts lässt auch die Alarmglocken in Rhein-Berg schrillen: "Wir wollen, dass die Diskussion dazu in den Schulen stattfindet", fordert jetzt Landrat Rolf Menzel.
Eine entsprechende Kreisinitiative zur Prävention läuft gerade an. Häufig finde die Gewalt nämlich unter den Augen von Zeugen statt - und könnte womöglich verhindert oder eingedämmt werden.
"Jeder kann eine Menge Verhaltensweisen lernen, wie richtig eingegriffen wird", erklärt Menzel. "In brenzlige Situationen kann jeder ganz schnell geraten." Er warnt aber davor, sich dabei in Gefahr zu bringen. "Das darf nicht in Übermut enden."
Ein Burscheider hatte - ohne übermütig zu sein - vor einem Jahr erhebliche Verletzungen davon getragen, als er couragiert im Luchtenberg-Park eingeschritten war. Er wollte drei Jugendliche davon abhalten, Spielgeräte zu zerstören. Als er die jungen Männer fotografieren wollte, wurde er niedergeschlagen und brutal getreten. Die Täter wurden damals sofort gefasst, weil die anwesende Frau des Opfers die Polizei alarmiert hatte.
Damit Jugendliche lernen, dennoch in solchen Situationen nicht wegzuschauen und die richtigen Verhaltensregeln anzuwenden, erhalten in den kommenden Wochen alle weiterführenden Schulen ein DVD-Medienpaket mit vier Unterrichtsfilmen und einem Begleitheft zur Förderung der Zivilcourage. Realistisch wie in dem Burscheider Fall werden "lebensnahe Situationen von jungen Menschen gezeigt", erklärt Gundhild Hebborn, Leiterin des Kommissariats Vorbeugung.
Die einzelnen Episoden zeigen eine Gewaltszene unter Alkohol, einen Drogendeal, ein Handyraub und einen Ladendiebstahl. Die Schüler sollen sich die authentischen Filme ansehen und frühzeitig Stellung beziehen mit der Frage: "Was machst Du?" Leitfragen mit entsprechenden Lösungsansätzen werden den Lehrern an die Hand gegeben. Darunter sechs Regeln für den Ernstfall.
Kriminalhauptkommissarin Gundhild Hebborn räumt ein, dass es womöglich Aufbäumen und Mut verlange, einzuschreiten. Niemand solle dabei aber den "Hilfssheriff" spielen. "Jeder muss selber entscheiden, welchen Beitrag er zu leisten in der Lage ist."
Die Intervention könne aber davor bewahren, ein schlechtes Gewissen zu haben, weil einem späteren Opfer nicht geholfen wurde. Und wenn es um alkoholisierte Freunde gehe, könnten die immerhin vor einer Straftat bewahrt werden. Aus einer solidarischen Handlung könne der Einschreitende zudem gestärkt hervorgehen - selbst wenn er "nur" die 110 gewählt hat.