Burscheid Großes Entsetzen nach der US-Wahl
Die Wahlen in den Vereinigten Staaten waren auch in Burscheid am Mittwoch das dominierende Thema. Und alle haben dabei ein schlechtes Gefühl.
Burscheid. Die Jugend hat an politischen Themen kein Interesse? Und wird davon nicht emotional berührt? Von wegen: An Gesamt- und Realschule kamen Mittwochmorgen vor dem Unterricht junge Schüler in das Sekretariat und fragten Mitarbeiterin Sigrid Haupt, ob es eine Durchsage in den Klassenräumen gebe, wenn das Ergebnis der US-Wahl feststehe. Normalerweise interessieren sich Schüler doch nur für angenehme Informationen über Lautsprecher — zu einem möglichen Hitzefrei?
Geplant war eine Durchsage an der Schule freilich nicht, gesprochen musste dennoch sehr intensiv über die Wahl des neuen Präsidenten. „Meine Schüler waren regelrecht entsetzt“, erklärt Anne Elsweiler, Lehrerin unter anderem für Politik und Sozialwissenschaften am Haus. „Einer von ihnen hatte an die Tafel geschrieben, bevor ich in den Unterricht kam: ,Donald Trump ist scheiße’“. Andere Jungen und Mädchen der 7. und 8. Klasse machten keinen Hehl aus ihrer Angst. „Passiert uns jetzt etwas“, fragten sie die Lehrerin. Wieder andere waren im Schwimmbad und hatten dort über einen Fernseher von dem Ergebnis erfahren. „Alle waren völlig überrascht, dass es so gekommen ist.“ Offensichtlich hätten die Eltern die Kinder schon im Vorfeld beruhigt, dass Trump schon nicht gewählt werden würde. „Ich habe ja selber nicht gedacht, dass es so kommt“, sagt die 60-jährige Politiklehrerin. „Ich habe die Amerikaner überschätzt.“
Schon heute möchte die Pädagogin das Thema vertiefen. Ihnen Kopien aus Zeitungen vorlegen und ihnen die Ängste unter anderem dadurch nehmen, dass Trump ja schon nach dem Wahlsieg ganz andere Töne anschlug. Und ihnen erklären, dass er „ganz viele Leute im Hintergrund“ habe, die den politischen Kurs mitbestimmten.
Auch politische Profis wie der Bundestagsabgeordnete für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Wolfgang Bosbach, seien vom dem Ausgang der US-Wahl überrascht worden. „Allerdings eher von dem Ausmaß des Wahlsiegs als von der Tatsache, dass es Trump geworden ist.“ In Gesprächen zuvor mit amerikanischen Freunden habe er schon das Signal bekommen, dass es nicht nur knapp werden könne. „Das gibt eine faustdicke Überraschung“, hätten sie ihm prophezeit. Und das sei eine Reaktion auf das etablierte politische Lager in Washington gewesen — eine Abstrafung. „Als gute Demokraten“ müsse man den Ausgang aber jetzt akzeptieren, aber politisch genau beobachten, wie es weitergeht.
Wie ein roter Faden zieht sich die Bewertung der Präsidenten-Wahl auch durch die hiesige Politik. Erika Gewehr: „Dieser Ausgang war für mich unverstellbar“, sagt die Vorsitzende der Burscheider CDU, wenn sie auch die Erfahrung gemacht habe: „Wahlen sind erst dann entschieden, wenn die Stimmen ausgezählt sind.“ Grundsätzlich halte sie Trump „für gefährlich“. „Aber wie die Wirtschaft reagiert, dass halte ich für noch problematischer.“ Auch ihr Parteikollege Jörg Baack, der als Richter am OLG in Köln arbeitet, sieht in Trump „einen großen Un´sicherheitsfaktor. Ich hätte mir gewünscht, dass Hillari Clinton es geworden wäre.“
Klaus Becker, Fraktionschef der Burscheider SPD, glaubt, dass es eine Änderung unter anderem des Kurses in der Außenpolitik geben wird. „Dass von ihm eine Bedrohung ausgeht, glaube ich aber nicht.“
Völlig überrascht zeigte sich am Mittwoch auch Bürgermeister Stefan Caplan: „Ich war zuversichtlich, dass das nicht so kommt.“ Außerdem weist er darauf hin, dass die Wahlen in den Vereinigten Staaten eine ganz andere Qualität hätten, als in Deutschland oder anderen Staaten. „Da sind Umgangsformen, die wir nicht gewohnt sind. Wie viel davon in der Realität ankommt, müssen wir abwarten.“ Allerdings verspüre auch er eine „Unsicherheit“.
Auch die Kölner Industrie- und Handelskammer, die unter anderem für den Rheinisch-Bergischen Kreis zuständig ist, spricht von einer Verunsicherung durch das Wahlergebnis. „Die USA sind für unsere regionalen Unternehmen ein wichtiger Handelspartner. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump ist die Verunsicherung groß. Die Welthandelsorganisation sowie die Freihandelsabkommen sind für unsere stark international ausgerichteten Unternehmen zentrale Themen. Wir hoffen, dass die neue US-Regierung diese Errungenschaften nicht aufs Spiel setzt. Es wird sich zeigen, welcher Kurs jetzt realpolitisch eingeschlagen wird. Die gesamte IHK-Organisation wird diese Entwicklung kritisch begleiten“, sagt Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln.
Nicht nur die hiesigen, auch die rund 850 amerikanischen Unternehmen im Rheinland könnte der Kurs der US-Regierung beeinflussen. Federal Mogul und Johnson Controls, beide mit Sitz in Burscheid, wollten sich Mittwoch aber nicht zum Ausgang der Wahl äußern.
Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln, findet, es sei noch zu früh für wirtschaftliche Prognosen. „Hier gilt das Gleiche wie nach dem Brexit: Wir müssen erst mal abwarten, welchen Kurs die neue Regierung unter Trump einschlagen wird und welche Auswirkungen das auf unsere Handwerksbetriebe haben wird.“ Donald Trump vertritt zwar eine „America First“-Haltung, ob der Export, an dem auch viele lokale Handwerksbetriebe verdienen, darunter leiden wird, darauf will Weltrich sich noch nicht einstellen. Denn die USA seien gleichwohl auch abhängig vom deutschen Export. „Trotzdem hat mich das Ergebnis am Morgen nach der Wahl überrumpelt und negativ überrascht. Damit hat kaum jemand gerechnet.“ Clinton als erfahrene Politikerin sei die ideale Partnerin für den transatlantischen Handel gewesen.
Nicht überrascht war nur einer nicht von der Wahl. „Ich fand, das war absehbar“, sagt Megafon—Leiter Marc Munz. „Amerika war schon immer ein Land der Extreme.“ Überhaupt nehme er momentan „einen Rechtsruck“ auf der ganzen Welt wahr. Doch das gehe an den jungen Menschen, die ins Megafon kommen. vorbei. „Die Amerika-Wahl ist komplett an ihnen vorbeigegangen.“