Köln — eine Stadt kurz vor dem großen Aufbruch

Gerd Schwerhoff beleuchtet die Stadt in seinem Geschichtsband in der schwierigen Zeit des Ancien Régime.

Köln. Als die „abscheulichste Stadt Deutschlands“ - hässlich, rückständig, voller Bettler und „Pfaffen“ - so beschreiben die Reiseschriftsteller des 18. Jahrhunderts die einst so mächtige Reichsstadt Köln. Ihre Urteile über die Domstadt waren durchweg vernichtend in einer Zeit zwischen dem Beginn der Aufklärung in Europa 1686 und dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen am 6. Oktober 1794.

Nach dem Gülich-Aufstand vollzog sich in Köln die Restitution des Alten. 1688 wurde mit Joseph Clemens ein Erzbischof gewählt, der den alten Streit mit der Reichsstadt fortführte und intensivierte. Als Ancien Régime („Altes Regiment“) wird auch am Rhein die Zeit zwischen dem westfälischen Frieden und den Umwälzungen um 1800 bezeichnet. Reiseberichte zeichnen für Köln eine Zeit politischer Erstarrung, ökonomischen Niedergangs, innovationsfeindlichem Protektionismus und religiöser Intoleranz.

Große historische Ereignisse gab es im Schatten des Doms in dieser Zeit kaum. Eine Ausnahme bildet die fatale Flutkatastrophe im Februar 1784, welche die Innenstadt und die umliegenden Ortschaften überschwemmte.

In seinem Beitrag zur mehrbändigen „Geschichte der Stadt Köln“ schaut der Historiker Gerd Schwerhoff kritisch auf diese Zeit, blickt auf die alltäglichen Mechanismen des Zusammenlebens und zeichnet in der ersten Gesamtdarstellung dieser Epoche ein deutlich differenzierteres Bild Kölns im Ancien Régime. Denn Köln besaß immer noch eine große Bedeutung als ökonomisches Zentrum, Verkehrsknotenpunkt und Umschlagplatz für Nachrichten.

Allerdings gelang es der mächtigen Reichsstadt anders als anderen Städten nicht, innovative Wirtschaftszweige zu etablieren. Die wachsende Verarmung der Bevölkerung stellte die Stadt vor wachsende sozialpolitische Probleme. Aufgeklärtes Denken und Reformbestrebungen konnten sich gegen die herrschenden traditionalistischen Mentalitäten und Strukturen in Köln nicht durchsetzen.

Viele solcher Strukturen waren schon im Mittelalter ausgeprägt worden und hatten sich seit Jahrhunderten am Rhein erhalten, wenn auch laut dem Autor keineswegs so unverändert, wie es oft den Anschein hatte. Selbst Protestbewegungen waren Ausdruck des Kölner Konservatismus. Zudem nutzten französische Truppen im Siebenjährigen Krieg die Stadt als logistische Drehscheibe und beendeten mit ihrem Einmarsch 1794 die lange Tradition Kölns als freie Reichsstadt.

Zum Glück im Unglück für die Kölner war diese Okkupation unblutig verlaufen. Diese leitete für Köln einen grundlegenden Systemwandel ein und markiert einen der wichtigsten Wendepunkte in der Stadtgeschichte. Dadurch wurde die Stadt in den Folgejahren in allen Belangen massiv verändert.

Nach dem Siebenjährigen Krieg waren die Franzosen ein „vertrauter Feind“, mit dem man es 1794 zu tun bekam. Die düstere Zeit des 18. Jahrhunderts war so schnell vergessen — auch wenn die Idee des Exports revolutionärer Ideen schnell dem Gedanken territorialer Expansion und der Integration linksrheinischer Gebiete wich. Revolutionsromantik war fehl am Platz.

Gerd Schwerhoff: Köln im Ancien Régime — 1686-1794, Greven Verlag, 556 Seiten, 60 Euro