Wirtschaft „Das Handwerk ist am Kipppunkt“

Köln „ · Die Lage im Handwerk in unserem Kammerbezirk ist nicht gut. Die Stimmung bei den Betrieben ist schlecht”, fasst der Präsident der Kölner Handwerkskammer, Hans Peter Wollseifer, die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen, bei der sich mehr als 900 Betriebe in Köln und der Region beteiligt haben.

Im Baugewerbe gibt es einen deutlichen Umsatzrückgang und einen sinkenden Auftragsbestand.

Foto: dpa-tmn/Ina Fassbender

Das Handwerk sei noch nicht in der Krise, sei aber an einem Kipppunkt angelangt. „Wir müssten mit unseren Anliegen mehr Gehör bei der Politik finden. Es gibt von uns handfeste Vorschläge wie beim Bürokratieabbau, bei der Senkung der Steuerlasten oder bei der Reformierung des Sozialversicherungssystems. Diese wurden bislang aber kaum berücksichtigt. Wir brauchen dringend grundsätzliche Reformen und nicht nur halbherzige Maßnahmen. Passiert das nicht, kommen wir in die Krise. Dabei könnte das Handwerk eigentlich der Treiber einer starken Wirtschaft sein.”

Die Lage im Bausektor
ist angespannt

Bei der Umfrage bewerteten 41 Prozent die Geschäftslage als gut, 41 Prozent als befriedigend und 18 Prozent als schlecht. Damit liegt der Saldo aus Gut- und Schlechtbewertungen bei 22 Punkten und fällt das fünfte Mal in Folge bei den halbjährigen Befragungen der Kammer schlecht aus. Der Treiber dieser Entwicklung im Handwerk sind die angespannte Lage im Bausektor und die rückläufige Nachfrage bei den handwerklichen Leistungen für den gewerblichen Bedarf.

Beim Klimahandwerk, zu dem Installateure und Heizungsbauer genauso gehören wie Elektriker und Dachdecker, ist die Lage dagegen weiter gut. Das gilt auch für personenbezogene Dienstleistungen wie bei Friseuren oder Kosmetikerinnen sowie beim Kfz-Handwerk - Gewerke, die unter Corona besonders gelitten haben und die nun bei abnehmendem Inflations- und Preisdruck wieder aufholen können. Im Kfz-Bereich konnten zudem die Probleme bei den Lieferketten gelöst und zunehmende Erstzulassungen verzeichnet werden.

Insbesondere beim Bau- und Ausbaugewerbe, zu dem auch Maler, Zimmerleute und Fliesenleger gehören, gibt es einen deutlichen Umsatzrückgang und einen sinkenden Auftragsbestand. Dies betrifft bei sinkenden Investitionen in der Industrie auch die handwerklichen Leistungen für den gewerblichen Bedarf. So sank der Auftragsvorlauf im Baugewerbe von 15 auf 13 Wochen, während im Kfz-Gewerbe die Wartezeiten für Kunden bei einem Auftrag von zwei auf zweieinhalb Wochen angestiegen sind. Abgenommen hat im Handwerk in wirtschaftlich unsicheren Zeiten auch die Bereitschaft, in Anlagen, Fuhrpark oder Gerät zu investieren. Hier verzeichnen 30 Prozent der Betriebe sinkende Investitionen.

Zu den Problemen im gesamten Handwerkssektor gehören sinkende Zahlen bei den Beschäftigten, die sich weiter fortsetzen. „Jeder zweite Betrieb meldet offene Stellen. Die Ursachen liegen aber nicht beim sinkenden Einstellungswillen, sondern am Mangel bei den Fachkräften und den Auszubildenden”, sagt Wollseifer, der bei der Nachwuchssuche auf das „Azubi Meetup Handwerk” am 7. Mai in der Arena setzt.

Was die Prognosen für die nahe Zukunft angeht, erwarten 20 Prozent der Betriebe eine Verbesserung in den kommenden Monaten, 20 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus und 60 Prozent glauben, dass es keine Veränderungen geben wird. Positiv gestimmt sind hier vor allem das Lebensmittel- und das Gesundheitsgewerbe sowie das Handwerk, das personenbezogene Dienstleistungen anbietet. Hier hofft man auf den weiter sinkenden Inflationsdruck und eine damit einhergehende steigende Kaufkraft. Schlecht bleibt die Stimmung dagegen vor allem beim Bau- und Ausbaugewerbe.