„Le Moissonnier“ in Köln Wenn ein Sterne-Restaurant zum Bistro wird

Interview | Köln · Das 1987 eröffnete Restaurant „Le Moissonnier“ hat in Köln Gastronomiegeschichte geschrieben - mit zwei Michelin-Sternen. Jetzt gibt es ein komplett neues Konzept. Ein Interview mit einem der Gründer.

Seit 1987 gibt es das „Le Moissonnier“ an der Krefelder Straße. Seit September wird dort das neue Bistrokonzept ungesetzt.

Foto: Le Moissonnier/Erik Chmil

Das 1987 eröffnete Restaurant „Le Moissonnier“ hat mit seinem Küchenchef Eric Menchon und den beiden Gründern Vincent und Liliane Moissonnier in Köln Gastronomiegeschichte längst geschrieben. Mit zwei Michelin-Sternen und 18,5 Gault Millau Punkten zählte es zu den besten Restaurants des Rheinlandes. Seit dem vergangenen September ist das „Le Moissonnier“ als Bistro mit einem komplett neuen Konzept an den Start gegangen. Wir haben mit Vincent Moissonnier über seine ersten Erfahrungen in den ersten Wochen gesprochen.

Im September sind Sie mit ihrem neuen Konzept im „Le Moissonnier“ gestartet. Wie fällt die erste Bilanz aus?

Vincent Moissonnier: Die ersten Wochen sind bei uns sehr gut gelaufen. Wir haben unser bisheriges Konzept mit der Bistroküche und den neuen Öffnungszeiten komplett auf den Kopf gestellt und damit ein kleines Erbeben erzeugt. Das mussten auch unsere Angestellten mittragen, die jetzt während der Öffnungszeiten am Mittag sehr intensiv beschäftigt sind, die dafür aber nun abends freihaben. Auch die Gäste haben das neue Konzept sehr gut angenommen - unser Stammpublikum hat uns die Treue gehalten, es gibt aber auch viele neue Kunden, für die auch unsere jetzige Preisstruktur attraktiver ist. Anfangs gab es Zweifel, ob die Deutschen wirklich mittags gut essen gehen. Aber inzwischen ist es schwer, bei uns mittags noch einen freien Tisch zu bekommen. Für den Gast ist alles entspannter und menschlicher geworden, als dies früher in unserem Sterne-Restaurant möglich war. Wir sind zu einer kommunalen Tränke geworden. Und wir sind nun ein klassisches Bistro mit einer hochwertigen Brasserieküche - und das ist wichtig, die Qualität muss stimmen.

Was hat Sie bewogen, so grundlegend Ihr Konzept zu erneuern?

Moissonnier: Unsere Gesellschaft hat sich mit der Generation X verändert. Ich wollte trotzdem weiter kreativ arbeiten und nicht nur ein Sterne-Restaurant perfekt verwalten. Das habe ich fast vier Jahrzehnte gemacht. Ich wollte jetzt wieder etwas ganz Neues schaffen. Das war natürlich auch mit einem Risiko verbunden, denn das Geschäft am Abend fällt für uns jetzt komplett weg. Da mussten gute Lösungen gefunden werden und wir drehen noch immer jeden Tag an den Stellschrauben. Mich hat diese Herausforderung in meinem Beruf neu motiviert. Das gilt auch für unser Küchenteam, das die knapper bemessene Zeit im Bistro perfekt und kreativ nutzt.

Wie hat sich die Karte im „Le Moissonnier“ verändert?

Moissonnier: Zu etwa 75 Prozent bieten wir unseren Gästen die klassische französische Bistroküche mit Gerichten wie der Fischsuppe oder der Patè en croute an. Dazu kommen legendäre Gerichte von unserem Küchenchef Eric Menchon wie sein Kabejau. Er kann sich mit seinen beiden Souschefs bei den drei Gängen weiter kreativ austoben. Neben der wechselnden Plat du jour sind auch unsere großen Platten mit Meeresfrüchten wie rosa und graue Crevetten, Meeresschnecken, Austern oder Seeigeln sehr beliebt. Da gibt es für eine halbe Stunde für die Gäste noch richtig Arbeit am Tisch.

Wie setzt sich die Altersstruktur bei den Gästen zusammen und welche Bedeutung haben die Stammgäste?

Moissonnier: Zu uns kommen Menschen zwischen 25 und 80 Jahren, wobei vor allem die Jungen sich gerne den großen Genuss gönnen. Die Stammgäste sind die Säule vom „Le Moissonnier“. Für sie gibt es auch die eigene Serviette im Serviettenring, was bei uns in Frankreich ganz normal ist. Da macht man eine lange Mittagspause und geht in sein Stammlokal für die Plat du jour und gönnt sich ein Glas Rotwein. Wenn man fertig ist, kommt die Serviette mit ihrem Ring zurück in das dafür vorgesehene Fach. Das sind Gewohnheiten, die auch unseren deutschen Gästen in Köln gefallen.

Das „Le Moissonnier“ bietet auch einen Service für zu Hause in Köln und in der Region.

Moissonnier: Das ist das Flagship unseres neuen Unternehmens. Wir haben an der Entwicklung dieses Angebots sehr lange gearbeitet. Das gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit und das Design der Verpackungen. Alles ist zu 99,9 Prozent wieder verwertbar. So haben wir Vakuumierbeutel aus Gemüsefasern.

Welche Rolle spielt für Sie die Qualität der Produkte für ihre Küche?

Moissonnier: Das ist für ein ganz zentrales Kriterium. Wir bekommen viele Produkte direkt aus Frankreich. Der Fisch und die Meeresfrüchte kommen aus dem Atlantik zu uns. Das Geflügel beziehen wir aus Paris, wo auch unser Metzger sitzt, dessen Betrieb eine 300-jährige Geschichte vorweisen kann. Das Gemüse und das Obst kommen hier von einem regionalen Bauernhof aus Hürth. Zu allen Erzeugern halte ich einen intensiven Kontakt. Wichtig ist mir auch der Aspekt der Nachhaltigkeit und der Saisonalität. Wir werden ab dem nächsten Monat in ein Projekt investieren, das Bäume zum CO2-Ausgleich pflanzt. So können wir bei all den Transportwegen unsere Klimabilanz ausgleichen.

Ihre Branche klagt derzeit heftig über den Personalmangel und die Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Moissonnier: Mir ist immer wichtig, dass mein Personal dem Gast am Tisch genau erklären kann, was er auf den Teller oder ins Glas bekommt. Daher brauche ich gut ausgebildete Fachkräfte und keine Aushilfen. Leider hat die Gastronomie diesen Beruf ziemlich heruntergewirtschaftet und es gibt in Köln kaum ein Haus ohne einen gastronomischen Betrieb. Ich setze bei meinem Team vor allem auf menschliche Qualitäten und weniger auf die reine Wirtschaftlichkeit. Was die Mehrwertsteuer betrifft, haben in der Branche leider viele Betriebe am Finanzamt vorbei gewirtschaftet. Wenn jeder seine Steuern korrekt zahlen würde, hätten wir heute in unsere Gesellschaft weniger Probleme. Bei meinen drei letzten großen Betriebsprüfungen gab es keinerlei Beanstandungen.

Wie sind Sie damals an die Räume an der Krefelder Straße gekommen?

Moissonnier: Das ergab sich eher durch Zufall. Ich habe lange in einem Kölner Toprestaurant als Oberkellner gearbeitet und wollte mit 27 endlich frei sein und meine eigenen Ideen umsetzen. Vorher war in meinen Räumen eine Spielhalle. Das Gebäude war in einem denkbar schlechten Zustand. Aber wenn man jung und unbekümmert ist, schafft man auch diese Herausforderungen. Dazu zählte auch die Umgebung des Restaurants, da hatten wir es zu Beginn wirklich sehr schwer.

Sie haben auch einen Weinimport gegründet.

Moissonnier: Das war vor 15 Jahren. Wir importieren unsere Weine selbst, und zwar von kleinen Winzerbetrieben in Frankreich, die wir all persönlich sehr gut kennen und an die wir höchste Ansprüche stellen. Umgekehrt sind es Betriebe, die maximal 20.000 Flaschen pro Jahr produzieren, und die sich so auch ihre Abnehmer wiederum genau auswählen. Damit beliefern wir hierzulande Privatleute, Gastronomie und den Feinkosthandel sowie unser eigenes Bistro. Für den Weinhandel ist mein Sohn Tim zuständig. Dazu gehört auch ein alter Weinkeller gegenüber, wo Kölns älteste Brauerei, die Hansabrauerei, früher ihr Malzlager hatte. Im Restaurant bieten wir sonntags einmal im Quartal auch eine Weinprobe an.

Welche Rolle spielt die Familie für Sie?

Moissonnier: Das sind die drei Leute, auf die ich mich immer absolut verlassen kann, und die mich tragen, auch wenn es einmal schwierige Zeiten gibt. Meine Frau Liliane arbeitet hier im Restaurant mit, meine Tochter Pauline kümmert sich um die Verwaltung und der Außerhausservice, mein Sohn betreut den Weinhandel. Ohne die Familie würde das Unternehmen nicht funktionieren.