Bühne Eine schrecklich nette Familie
Köln/Hamburg · Ein wenig fühlt man sich an die 90er Jahre und die US-Erfolgsserie „Eine schrecklich nette Familie“ erinnert, als Schuhverkäufer Al Bundy am Vorabend seine Familie und die Nachbarschaft mit seiner unnachahmlichen Art drangsalierte.
Dabei achtete er genauso wie seine gesamte Sippe nicht unbedingt auf vorbildliches Sozialverhalten und politische Korrektheit.
Bei Musicalkomödie „Die Königs vom Kiez“, die seit mehr als zehn Jahren auf der Hamburger Reeperbahn im Schmidt Theater ihre Erfolge feiert, sind die Familienverhältnisse natürlich etwas anders gestrickt. Chef der siebenköpfigen, chronisch bankrotten Sippe ist der daueralkoholisierte Käpt’n, der nicht so sehr scheut wie ehrliche Arbeit. Für seine Familie ist er eine echte Plage. Alles mühsam Erwirtschaftete, was seine Sprösslinge ins Haus bringen, investiert der Alte sofort wieder in sein Lieblingsgetränk.
Den Königs droht
die Zwangsräumung
Seine älteste Tochter Marie träumt vom erfolgreichen Studienabschluss und von der großen Liebe, muss aber den Haushalt schmeißen und zusehen, dass ihre Geschwister nicht völlig aus der Bahn geraten. Bei Pamela ist das schon fast passiert, mit 15 ist sie die junge Mutter von Brutus. Auch die beiden Zwillinge Björn und Benny machen Probleme. Während Björn sein Dasein mit dem Anbau und dem Verkauf von Cannabis verdient, hat der schwule Bruder ein Verhältnis mit dem örtlichen Pfarrer und sucht nach einem Job.
Den braucht die Familie auch ganz dringend, denn ihr wird ständig der Strom abgeschaltet und jetzt droht wegen des hohen Mietrückstands auch noch die Zwangsräumung aus ihrer bescheidenen Bleibe im schäbigen Souterrain. Nun ist guter Rat teuer und jeder versucht auf seine Weise, Geld ins Haus zu bringen. Pamela erpresst die möglichen Väter ihres Brutus um Unterhalt, während Björn seine ganze Ernte verkauft und sein Blut großzügig spendet. Auch Benny hat endlich einen Job - als Maskottchen beim HSV. Ein echter Schock für die St.-Pauli-Fans von der Reeperbahn.
Nur den Käpt’n scheint all das nicht wirklich zu interessieren, er trinkt sich in seiner Stammkneipe bei Wirt Holgi die Seele aus dem Leib und trägt zum Unterhalt nur einen gestohlenen Glücksspielautomaten bei. Allerdings rückt ihm so die liebestolle Nachbarin Berta mächtig auf den Leib, die ihren Käpt’n unbedingt unter ihrer geblümten Bettdecke vernaschen möchte. Für Marie wird die Situation immer schlimmer, sie liebt ihren Alex, der die Familie unterstützt, doch auf das große Glück hat sie in all diesem Chaos kaum noch Hoffnung.
Glücklicherweise gibt es da noch Oma, die Gewinnspiele über alles liebt und die so ihrer um die Existenz kämpfende Familie plötzlich den ersehnten Lichtstreif am Horizont serviert. Dieser kommt in Form der schrillen Glücksfee von der Glücksspirale: Oma erhält ab sofort jeden Monat 10.000 Euro Rente. Doch das Glück währt nicht lange, denn plötzlich ist Oma tot und der Geldsegen massiv in Gefahr.
Drei Monate gastiert die Musicalkomödie in Köln
Was die Fans seit zehn Jahren im Schmidt Theater mitten auf der legendären Reeperbahn live erleben können, kommt in diesem Winter für drei Monate als Gastspiel in die Kölner Volksbühne am Rudolfplatz. Verantwortlich für den Erfolg des Publikumslieblings sind die Autoren Martin Lingnau, Heiko Wohlgemuth und Mirko Bott sowie Schmidt-Chef Corny Littmann, der selbst die Regie führt. Gesehen haben die Musicalkomödie und ihr Nachfolgestück „Die Königs schenken nach“ bislang mehr als 400.000 Besucherinnen und Besucher. Der Probenstart in der Domstadt ist bereits im September.
„Meine Rolle als der Käpt’n ist eine echte Gratwanderung. Ich spiele einen asozialen Alkoholiker, der seine Familie massiv vernachlässigt. Er soll aber trotzdem nicht als bösartig herüberkommen, hat auch er seine Nöte, wenn ihn die nymphomanische Nachbarin verfolgt. Der Reiz an der Rolle sind für mich die Pointendichte und das Miteinander der Figuren im Ensemble. Dieses Stück ist echter Teamsport, da muss jeder dem anderen auf der Bühne zuspielen“, sagt Autor Heiko Wohlgemuth, der bei den „Königs“ auch regelmäßig die Hauptrolle übernimmt und der zudem für die Songtexte verantwortlich ist.
„Als Autor ist es interessant, direkt auf der Bühne zu erleben, wie unser Publikum reagiert. Daher verändert sich das Stück auch immer wieder und erlaubt es, manchmal auch zu improvisieren. Um lustig zu sein, braucht es immer eine gewisse Energie, alle müssen stets im Moment sein. Meine Figur ist immer an der Kante zum Unsympathischen, zeigt aber zutiefst menschliche Schwächen. Deshalb hat man ihn am Ende auch irgendwie gerne. Als Antiheld versucht er ja auch immer Gutes zu tun, auch wenn ihm das nur sehr selten gelingt.“
Das Hamburger Auswärtsspiel in Köln ist für Wohlgemuth fast wie eine Klassenfahrt. „Ich war schon mit Käpt’n Blaubär in Köln, habe dort oft gedreht und viele Freunde von mir leben in dieser Stadt. An der Volksbühne habe ich mir ‚Himmel und Kölle‘ angeschaut und gesehen, dass dieses Haus zu uns vom Schmidt Theater perfekt passt. Bei uns und in Köln geht es um handgemachtes, herzenswarmes und volksnahes Theater, das sich nicht allzu ernst nimmt. Das ist für mich die beste Form von Theater.“
„Dieses Stück ist
echter Teamsport
Im Hamburg ist der Choreograf des Stücks, Benjamin Zobrys, aktuell gleich in einer Doppelrolle zu sehen, wenn er die beiden Zwillingsbrüder Benny und Björn verkörpert. „Beide zu spielen, macht für mich einen ganz besonderen Reiz aus, da man die beiden Rollen ganz anders akzentuieren kann. Beide sind ohne Mutter aufgewachsen und müssen die Eskapaden ihres Vaters ertragen. Aber sie gehen doch ganz unterschiedlich mit ihrem Schicksal um.“
Köln kennt Zobrys bereits gut: „Ich mag die Stadt sehr gerne. Ursprünglich war ich ein Karnevalshasser, dann hat mich ein Freund ins jecke Treiben mitgenommen. Seitdem bin ich begeistert. Mir gefällt die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt und die vielen Lieder, die es hierzu gibt. Die Stimmung gerade in den Kneipen ist großartig, sodass ich mich freue, dass wir auch in der Karnevalszeit zu Gast in Köln sind.“
Beim Schmidt Theaterimperium arbeitet Zobrys schon seit mehr als 20 Jahren. „Das ist eine ganz besondere Welt - unkonventionell, aber trotzdem hochprofessionell. Wir sind mit unseren Stücken am Puls der Zeit und direkt am Kiez. Gerade unser immer ausverkaufter Dauerbrenner die ‚Heiße Ecke‘ bildet den Kiez sehr gut ab. Musical gefällt mir als Choreograf und Darsteller so gut, weil es so viele Kunstformen vereint. Deshalb mögen auch viele Menschen dieses Genre.“