Kolonialwaren, Knochenmühle und zwei Bürgermeister

Die Historie der Ortschaft, die nur aus wenigen Häusern an der B 51 besteht, ist voller Anekdoten.

Burscheid. Zwei Bürgermeisternamen verbinden sich mit Irlen, der nur aus ein paar Häusern bestehenden Ortschaft rechts und links der heutigen B 51: Heinrich Agilolphus Pfleger, Burscheider Bürgermeister von 1851 bis 1871 und Willi Wirths, Burscheider Bürgermeister von 1979 bis 1987.

Pfleger war Landwirt und Gewürzhändler und wohnte in Irlen4. Möglicherweise hat er dort auch noch kurze Zeit amtiert, bis die Verwaltung "ins Dorf" verlegt wurde. Seine Frau betrieb einen "Winkel", in dem sie nicht nur "Kolonialwaren" sondern auch "Schnur und Band" und andere Kleinwaren verkaufte. Wer sich mit dem Bürgermeister gut stehen wollte, kaufte bei seiner Frau. Wie alt das Haus ist, ist nicht bekannt, doch 60 Zentimeter dicke Wände und die Aufmauerung mit Feldbrandziegeln lassen auf mindestens Anfang des 19. Jahrhunderts schließen.

Zwei Jahre nach Pflegers Tod, am 27. September 1873, beantragte der Bäcker und Handelsmann Franz Joseph Neßelnbruch "auf irlen" als Eigentümer des Anwesens die Anlage einer Dampfmühle auf seinem Grundstück. Am 30. März 1876 wurde "der zum Betrieb einer Mahlmühle dienende Dampfkessel einer Revision unterworfen." Mindestens bis Ende des 19. Jahrhunderts ist die Dampfmühle betrieben worden, zuletzt wohl von der Familie Hausmann.

Hanni Heider geb. Hausmann wohnt heute noch mit ihrer Familie in Irlen 4. Ihr Vater Hugo Ewald Hausmann war 1898 hier geboren worden. Die "Knochenmühle", so erinnert sie sich, war immer in der Familie im Gespräch. Ende der 50er Jahre fanden sich in den alten Stallungen noch Transmissionen und Riemen der Mühle, Ende der 70er Jahre wurden die Gebäude abgerissen. Der Name "an der Dampfmühle" hat sich aber bis heute im Volksmund für das Haus Irlen 4 erhalten.

Wie alt das auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehende Haus Irlen 1 ist, in dem der spätere Bürgermeister Willi Wirths (1913 bis 1994) geboren wurde, weiß man: es wurde 1756 erbaut und war eine Brauerei. Große Gewölbekeller zeugen bis heute davon. "Der Erbauer muss ein reicher Mann gewesen sein", ist sich Willi Biermann, der heutige Eigentümer, sicher: "Die gesägten Eichenbalken im ganzen Haus konnte sich kein Armer leisten!"

1906 erwarb der Landwirt und Viehhändler Willi Wirths, der Vater des späteren Bürgermeisters und Großvater von Willi Biermann das Anwesen. An den Beruf des Viehhändlers erinnert bis heute ein über dem Giebelhaus angebrachtes eisernes Pferd. Dieses Giebelhaus über dem Hauseingang mit Ladeluke und vorkragendem Zeltdach macht den besonderen Reiz des denkmalgeschützten Hauses aus. Landwirt Willi Biermann ("Willi heißen wir alle") setzt die alte landwirtschaftliche Tradition fort. Die Weiden für seine 140 Kühe erstrecken sich heute, nachdem Biermann Land für das neue Gewerbegebiet Linde/Irlen an die Stadt abgetreten hat, hinunter in Richtung Autobahn.

Woher der Name "Irlen" kommt, lässt sich nur vermuten. Da es unterhalb des Hauses Irlen4 eine alte Gemarkung mit dem Namen "Erlenfeld" gab, liegt der Schluss nahe, aus "Erlen" könnte im mundartlichen Sprachgebrauch "Irlen" geworden sein. Von einem auffallenden Vorkommen von Erlen ist jedoch nirgendwo die Rede. Wohl aber von Eichen: 1836 erwirkte Pastor Johannes Löh beim Landrat Hauer die Erlaubnis, in dem der Kirchenge meinde gehörenden Wald "In den Ihrlen" 67 Eichen und drei Buchen fällen zu dürfen. Mit dem Erlös wollte Löh noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt (1838) seinem Nachfolger Geldmittel für notwendige Reparaturen sichern.

Entstanden ist Irlen aus einem einzelnen Hof, der nach der Mitte des 16. Jahrhunderts dem Junker Wilhelm von der Sülzen, genannt Diependahl gehörte. Im 17. Jahrhundert war Irlen wie Linde, Dünweg, Kotten und Kämpchen Vorwerk des Rittersitzes Bellinghausen und wurde von einem Halfmann bewirtschaftet. Im ältesten Kirchenbuch tauchen einige Namen auf. Der interessanteste ist wohl Johann Nierlen in den Irlen, der den Beinamen "Tüferjan" trug und wahrscheinlich ein Wiedertäufer war.

Nicht mehr namentlich bekannt ist dagegen der Mann, der um 1720 "in den Hasseln", einem Waldstück bei Irlen, religiöse Versammlungen abhielt, bei denen er den Weltuntergang prophezeite.