Kunst zwischen Wüste und Meer
Rautenstrauch-Joest-Museum zeigt ab heute in einer Sonderschau Aboriginal-Kunst.
Köln. Ab heute ist im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) die Sonderausstellung „Wüste - Meer - Schöpfermythen, Aboriginal Art der Spinifex und Yolnu“ zu sehen. Zum ersten Mal widmet das Haus der auf dem internationalen Kunstmarkt gefragten zeitgenössischen Kunst australischer Aborigines eine eigene Ausstellung. „In den Werken der Spinifex und Yolnu findet auf künstlerische Weise die Auseinandersetzung einer Jahrtausende alten Kultur mit der Moderne statt“, sagt Museumsdirektor Klaus Schneider.
Die Ursprünge der als „Aboriginal Art“ bezeichneten Kunst liegen in der Sand-, Körper- und Felsenmalerei. Sie gilt als die älteste kontinuierliche Kunsttradition der Welt. Seit den 90er Jahren interessiert sich zunehmend auch der internationale Kunstmarkt für die Werke der Aborigines.
Auf der Suche nach ihrem Platz in der Moderne kämpfen Aborigines um den Erhalt, die Weiterentwicklung und Anerkennung ihrer Kultur. Dabei ist die Kunst nicht nur eine wichtige Ausdrucksform, sondern ermöglicht auch politischen Einfluss und wirtschaftliche Selbstständigkeit. Seit vielen Jahren organisieren sich Aborigines in sogenannten community-based Art Centres und nutzen Malerei und Skulptur, um ihr kulturelles Erbe zu sichern und weiterzuentwickeln.
Das RJM stellt in Kooperation mit der Freiburger Galerie Artkelch Werke von zwei führenden Künstlerkooperativen einander gegenüber: dem Spinifex Arts Project aus der Great Victoria Desert in Westaustralien und dem Buku-Larrngay-Mulka Centre der Yolnu (Selbstbezeichnung der dort lebenden indigenen Bevölkerung) im nordöstlich am Meer gelegenen Arnhemland.
Während in der Wüste die moderne Malereibewegung der Aborigines erst Anfang der 70er Jahre begann, gehört Kunst aus dem Arnhemland zu den frühen indigenen Kunstformen Australiens. Bereits in den 50er Jahren wurde der Kunst der Yolnu durch Museumsausstellungen eine der westlichen Kunst gleichwertige Kunsttradition attestiert.
Inhaltlich am zentralen Thema der Schöpfungsmythen der „Traumzeit“ orientiert verbindet die beiden Künstlergemeinschaften in der Wüste und am Meer die Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel von Vergangenheit und Gegenwart, dem Spirituellen mit dem Säkularen, den Menschen und ihrem Land.
Stilistisch dagegen könnte die Kunst aus beiden Regionen Australiens gegensätzlicher nicht sein. Die Spinifex People, die zu den letzten Nomaden der australischen Wüste gehören, verwenden synthetische Acrylfarbe und gleichmäßig gewebte Leinen- und Baumwollstoffe. Gewaltige farbenfrohe Landkartengemälde aus der Vogelperspektive mit Wüstenikonographie im klassisch zu nennenden Tupfstil und ihre Ursprünglichkeit faszinieren den Betrachter.
Dahingegen findet man bei den Yolnu natürliche Erdpigmente, Rinde, von Termiten ausgehöhlte Stämme von Eukalyptusbäumen und ausgediente Holz- und Kartonplatten als Träger von Farbe. Bei ihnen stehen Zeichen und Muster im Vordergrund, die im westlichen Arnhemland als „rarrk“ und im östlichen Arnhemland als „marvat“ bekannt wurden. Ihre Ursprünge liegen in uralten Clan-Designs (miny’tji), die bei Zeremonien auf Körpern gemalt werden. Heute sind ihre Werke weltweit Bestandteil bedeutender Museen und Privatsammlungen.
Unabhängig von den Kunststilen jedoch haben beide Kunstzentren ihre Malerei schon früh politisch eingesetzt, um tausende Jahre alte Land- und Seerechte gegen die bis heute fortwährende Enteignung durchzusetzen.