Neuer Mörtel für die Staumauer

Bis November macht eine Fachfirma das Bauwerk auf 4000 m² wieder wetterfest.

Bergisches Land. „Wie haben Sie denn die Affenhitze vergangene Woche so ausgehalten?“ So fragten wir auf dem Riesengerüst an Solingens außergewöhnlichster Baustelle einen der Betroffenen. „Es war schon ziemlich extrem. Man hält das nur aus, wenn man sehr viel trinkt“, antwortet Gerd Schumann. Der 51-jährige Maurer arbeitet mit derzeit 14 weiteren Kollegen an der Sanierung der Solinger Talsperrenmauer. Es geht um ihre dem Wasser abgewandte Seite: Auf ihr sind alle Fugen zu erneuern und defekte Steine zu ersetzen.

Polier Mario Simon und sein Team sind ausgesprochene Experten. Sie arbeiten für die aufs Sanieren von Baudenkmälern spezialisierte Firma Spesa in Schrobenhausen. Wenn etwa Schumann konstatiert: „Die Fugen an der Solinger Mauer sind extrem hart“, hat das seinen Hintergrund. 1998 war er bei der Sanierung der mittelalterlichen Stadtmauer von Nordhausen dabei. „Ihre Fugen waren bei weitem nicht so widerspenstig.“

Talseitig ist die Mauer der Sengbachtalsperre bis zu 43 Meter hoch. Vor ihr haben Fachleute der europaweit renommierten Firma Teupe und Söhne aus Stadtlohn ab Anfang Mai aus Stahlrohren und Holzbrettern ein Riesengerüst errichtet (siehe Kasten). Es ist die Basis für das Tun der Spesa-Leute.

Eigentümer der im Mai 1903 eingeweihten Talsperre sind die Stadtwerke Solingen (SWS). Längst beruflicher Lebensinhalt ist das Bauwerk für Roland Sorgenicht: Er ist seit 1995 Talsperrenmeister. Als ihren Bauleiter für das rund 750 000 Euro teure Sanierungsprojekt haben die SWS einen Fachmann bestellt: Martin Lengfeld aus Netphen ist Chef von Projektwerk, einem Ingenieurbüro für Bauwesen. Er hat bereits die Mauersanierung der Lingese-Talsperre begleitet. Der 54-Jährige schätzt, dass in der Fassade der Sengbachtalsperrenmauer einige zehntausend Grauwacke-Blöcke stecken. Die Fugen erreichen eine geschätzte Länge von 20 Kilometern. Nach Auskunft von Polier Simon („Das Material ist hart, aber es läuft alles so, wie es soll!“) waren am Mittwoch vergangener Woche bereits auf 600 m² Fläche die Fugen aufgestemmt und dabei von unerwünschtem Bewuchs befreit.

Was die Zahl der auszuwechselnden Steine angeht, ist Bauleiter Lengfeld nach den ersten Erfahrungen optimistisch: „Wir gingen davon aus, dass 2000 Steine kaputt seien. Es gibt Hoffnung, dass es weniger sind.“ Erst wenn alle defekten Steine ausgewechselt, sämtliche Fugen aufge-stemmt und mit Wasser ausgespült sind, startet ab August der zweite Schritt: das Verfugen. Dafür wird ein werkseitig gemischter Mörtel verwendet, weil er dem Mörtel ähnelt, wie ihn die Vorväter zu Beginn des 20. Jahrhunderts beim Bau der Mauer verwendeten.

Bauleiter Lengfeld attestiert im Übrigen der Solinger Talsperrenmauer eine „grundsolide Konstruktion: Mit ihrem 36,5 Meter dicken Fuß hat sie eine große Aufstandsfläche.“ Er bestätigt damit, was Meister Sorgenicht schon länger weiß: Die Talsperrenmauer ist wortwörtlich absolut „kerngesund“. Das bewiesen Bohrungen, die bereits vor Jahren an mehreren Stellen von der fünf Meter breiten Krone vertikal durchs Mauerwerk bis hinunter auf den gewachsenen Fels getrieben wurden.

Damals wurde auch per bergmännischem Vortrieb ein Kontrollstollen im Mauerfuß geschaffen. In ihm sind hochempfindliche Messgeräte installiert, die auch die kleinste Bewegung der Mauer registrieren. Damit das Innere der Mauer so solide bleibt, sind als Vorsorge die Arbeiten an der talseitigen Fassade wichtig: Neue Fugen schützen vor dem Eindringen von Feuchtigkeit. Vor dem ersten Frost, also bis Mitte November, müssen daher die Sanierungsarbeiten unbedingt abgeschlossen sein. Das betont neben Sorgenicht auch sein Vorgesetzter Norbert Kellner: Als SWS-Abteilungsleiter ist er zuständig für Gewinnung, Aufbereitung und Speicherung des Trinkwassers. Er sagt: „Die Firma Spesa ist so leistungsfähig, dass sie zur Einhaltung des Endtermins auch zusätzliche Leute einsetzen kann.“