Zorn setzt auf Beständigkeit und eine Politik der kleinen Schritte
Gerhard Zorn ist zum sechsten Mal bei einem Wahlkampf das Gesicht der SPD — und will auf Großplakate verzichten.
Rheinisch-Bergischer Kreis. Als die Rede das erste Mal auf eine mögliche erneute Kandidatur kam, war seine Ehefrau Esther nur begrenzt begeistert. Schließlich wusste sie, was auf sie zukommt. Ihr Mann Gerhard Zorn hat schon Wahlkampferfahrung in Serie. Aber inzwischen kann der Sozialdemokrat sagen, es sei gut, „sie zu hundert Prozent hinter mir zu wissen. Sie stärkt mir den Rücken.“
Beständigkeit, Kontinuität, Verlässlichkeit — das sind Begriffe, die einem einfallen, wenn man sich mit der politischen Vita des heute 46-Jährigen befasst. Nicht umsonst hat der Overather seine Kampagne zur Landratswahl unter das Schlagwort „Zorn bleibt“ gestellt. Ein kleiner Seitenhieb auf Amtsinhaber Rolf Menzel (CDU), der seine Zelte in Bergisch Gladbach zwei Jahre nach der letzten Kommunalwahl vorzeitig abbricht und zur Energieversorgung Leverkusen wechselt.
Aber der Ball wird von der Gegenseite auch genüsslich zurückgespielt. Beständig hat Zorn 1994, 1998 und 2002 für den Bundestag kandidiert — und dreimal gegen Wolfgang Bosbach verloren. Kontinuierlich hat der langjährige Fraktionsvorsitzende im Kreistag Anlauf auf die Spitzenposition im Kreishaus genommen — und 2004 und 2009 gegen Menzel den Kürzeren gezogen.
Und doch holt Zorn im aktuellen dritten Versuch wieder einen Satz hervor, den er im Laufe seiner vielen Wahlkämpfe schon mehrfach bemüht hat: Er spiele nicht auf Platz, sondern auf Sieg. „Es gibt eine sehr gute Chance, dass ich in der Stichwahl vorne liege“, sagt er. Denn im Gegensatz zu seinem CDU-Kontrahenten kenne er den Kreis, seine Gesellschaften und Strukturen, die Bedeutung als Wirtschaftsstandort.
Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, am Thema dranbleiben — das sind Begriffe, die Gerhard Zorn zu sich selbst einfallen. Und die ihn aus seiner Sicht auch für das Amt des Landrats qualifizieren. Der Jurist, der (eine weitere Kontinuität) schon seit 1998 in Diensten des Landschaftsverbandes Rheinland steht und dort eine Leistungsabteilung für Schwerbehinderte im Berufsleben leitet, er hat gelernt, dass man in der Kommunalpolitik in kleinen Schritten denken muss, Stück für Stück in Richtung des großen Ziels.
Arbeitet die Zeit also für Zorn? Eine Fundamentalopposition hat er nie betrieben. In zentralen Fragen gab es Einigkeit im Kreistag. „Wir stehen auch für solide Finanzen und und die Entlastung der Kommunen.“ Auch die Arbeit von Rolf Menzel hat er durchaus geschätzt.
Und sieht für sich selbst doch andere Akzente. Zum Beispiel will er mehr für die soziale Vorsorge tun. Wer die Förderung kirchlicher und sportlicher Jugendarbeit auf Null setze, „hat Geld gespart, muss es aber im Reparaturbetrieb wieder ausgeben“. In der Funktion der Kommunalaufsicht will Zorn das bei Kürzungen im Bildungs-, Kinder- und Jugendbereich bedenken.
Gerhard Zorn
Auch bei den Problemfamilien müsse präventiv mehr getan werden. Die Familienhebamme und die Kinderkrankenschwester, über den Kreis finanziert, seien „völlig überlastet“. Zorn denkt an eine personelle Aufstockung.
Und der Verkehrsexperte seiner Fraktion verbindet sein langjähriges politisches Steckenpferd mit dem demografischen Wandel. Die Bürgerbusvereine verdienten Hochachtung. Aber das Bedürfnis einer älter werdenden Gesellschaft, mobil zu bleiben, könne das Ehrenamt auf Dauer überfordern. Ergänzend will Zorn die Busfirmen zum Einsatz kleinerer Busse bewegen, um entlegenere Ortsteile einzubinden.
Alles auch eine Frage des Geldes. Er habe da derzeit nur die Fragestellung, aber noch nicht das Konzept, räumt Zorn ein. Aber er baut da wie auch bei anderen Themen auf seine Stärke, „Menschen zusammenzuführen und dann den größten gemeinsamen Nenner zu suchen und auch zu finden“. „Ich will nicht wissen, was nicht geht“, sagt er an anderer Stelle. Da geht es um das ehrgeizige Ziel, den Kreis bis 2023 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen. Auch hier wird er einen gemeinsamen Nenner suchen müssen mit Stadtwerken und Energieerzeugern.
Die Kraftanstrengung, die mit einem Wahlkampf verbunden ist, kennt Zorn zu Genüge. „Aber die Motivation in den Ortsvereinen des Kreises ist sehr hoch.“ Seit Mitte Oktober hat er wie schon in früheren Jahren seine Stundenzahl und damit auch die Bezahlung beim Landschaftsverband für die Wahlkampfzeit auf 50 Prozent reduziert.
Auch die Parteiprominenz wittert die Chance und reist zahlreich zur Unterstützung an: Heute kommt NRW-Familienministerin Ute Schäfer nach Burscheid. SPD-Parteischef Sigmar Gabriel, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und weitere Landesminister haben zugesagt oder waren wie Finanzminister Norbert Walter-Borjans im Oktober in Wermelskirchen schon da.
Sich selbst hält Zorn mittlerweile für bekannt genug, um im Gegensatz zu seinem Hauptkonkurrenten Hermann-Josef Tebroke (CDU) ganz auf den Einsatz von Großplakaten verzichten zu können. „Ich bin bei den vergangenen Wahlkämpfen sehr häufig angesprochen worden, dass die Großflächenplakate der Parteien die Landschaft verunstalten würden und zum Teil sogar verkehrsgefährdend seien.“
Der Verzicht sei auch im Parteivorstand und der Wahlkampfkommission nicht unumstritten gewesen, „es ist jedoch mein ausdrücklicher Wunsch“. Stattdessen setzt Zorn auf neue Medien wie eine App fürs Smartphone und auf kleine Plakate mit seinen inhaltlichen Schwerpunkten Arbeit, Bildung, Familien und Kinder sowie generationsübergreifendes Miteinander.
Wenn er Landrat wird, ist er nicht nur Verwaltungschef, sondern auch oberster Repräsentant des Kreises. Eine Vorstellung, die dem Juristen keine Sorge bereitet. Bei Festen und Vereinsaktivitäten dabei zu sein, am liebsten mittendrin „und nicht am Ehrentisch“, das macht ihm schon jetzt Spaß. Nur die drei Stunden in der Natur, die er sich sonntags gemeinsam mit seiner Frau frei hält, sind ihm heilig. „Diesen Freiraum werde ich mir lassen.“
Anders wäre die 100-prozentige Unterstützung wahrscheinlich nicht zu haben gewesen.