Neuausrichtung Das neue realistische Bild der Inklusion in NRW

Von Olaf Kupfer und Bettina Grönewald · Eine Erhebung des Schulministeriums zeigt: Weniger als sieben Prozent der öffentlichen NRW-Gymnasien bieten dann den neuen Regelunterricht für behinderte Kinder in der 5. Klasse an.

Eine behinderte Schülerin sitzt in ihrem Rollstuhl im Klassenraum einer Integrierten Gesamtschule.

Foto: dpa/Holger Hollemann

Die Neuausrichtung der schulischen Inklusion, also des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne sozialpädagogischem Förderbedarf, hat die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) 2018 angekündigt. Jetzt hat der Plan Gestalt angenommen: Wie aus einer Abfrage der Eingangsklassen der weiterführenden Schulen für das Schuljahr 2019/20 hervorgeht, finden das „Gemeinsame Lernen“ künftig vor allem außerhalb der Gymnasien statt: Weniger als sieben Prozent der öffentlichen NRW-Gymnasien bieten dann den neuen Regelunterricht für behinderte Kinder in der 5. Klasse an.

Landesweit werden nur 35 von 511 Gymnasien in ihrer Eingangsklasse „Gemeinsames Lernen“ so anbieten, wie es den neuen NRW-Inklusionsstandards entspricht. Ein Erlass vom Oktober regelt, dass „Schulen des gemeinsamen Lernens“, bei denen durchschnittlich drei von 25 Schülern einer Klasse sonderpädagogischen Förderbedarf haben, zusätzlich eine halbe Stelle für Inklusion erhalten. Grund für die karge Inklusion an Gymnasien sei vor allem der Elternwille und Entscheidungen der Schulträger vor Ort, sagte Gebauer. Es hätten noch mehrere Gymnasien das „Gemeinsame Lernen“ angeboten, die seien aber nicht nachgefragt gewesen. Kritiker sagen, das liegt vor allem daran, dass Gymnasien Inklusionsschüler zu oft zielgleich unterrichteten, also nicht mit einem jeweils individuell festgelegten sonderpädagogischen Förderbedarf. Deswegen sei die Einzelförderung an den Gymnasien ungleich höher als bei den anderen Schulformen. „Von der Einzelintegration müssen wir aber wegkommen, weil das Ressourcen frisst“, sagte Gebauer.

In der neuen Form, die den Willen nach Bündelung der Ressourcen dokumentiert, wollen zum Schuljahr 2019/20 775 Haupt-, Real-, Gemeinschafts-, Sekundar- und Gesamtschulen sowie Gymnasien für rund 6400 Kinder Gemeinsames Lernen in Klasse 5 anbieten. Hinzu kämen 172 Schulen, die Einzelintegrationsmaßnahmen für 365 Kinder planten, so Gebauer. Bis 2024 sollen für das Gemeinsame Lernen 6000 zusätzliche Stellen geschaffen werden, allerdings sind dafür zu wenig Sonderpädagogen am Markt, so dass auch andere Fachkräfte zum Zug kommen sollen.

Nach Zahlen des Statistischen Landesamts wurden 2018 rund 43 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf – über 132 0000 – an Regelschulen unterrichtet. Das waren drei Prozent mehr als im Schuljahr 2017/18. Zusätzlich wurden über 75 000 Kinder mit Handicap in Förderschulen unterrichtet: 1,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.