60 Jahre Medikamentenhilfswerk Action Medeor hilft seit 60 Jahren

Vorst · Vor 60 Jahren wurde das Medikamentenhilfswerk Action Medeor in Vorst gegründet. Seitdem hat sich vieles weiterentwickelt. Mitarbeiter schauen zurück und auch in die Zukunft.

Ehrenamtliche Helferinnen sortieren 1964 ausrangierte Ärztemuster alphabetisch für den Weitertransport.

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Als Susanne Biermann 1986 ihre Lehre als Groß- und Außenhandelskauffrau bei Action Medeor in Vorst begann, gab es noch keine Computer, Faxe oder Handys. „Ich habe in der Berufsschule Steno und natürlich blind Schreibmaschineschreiben mit zehn Fingern gelernt“, erinnert sich die heute 57 Jahre alte Assistentin des Vorstands, Personal und Finanzen. Die Kugelkopfschreibmaschine beherrschte die Büros und „wir waren bestimmt jeden Morgen gut zwei Stunden damit beschäftigt die Post zu sortieren und zu bearbeiten“, sagt die Vorsterin. Bestellungen mussten bearbeitet werden und Spendenquittungen ausgestellt werden. An Excel war noch nicht zu denken.

Damals war der Bürgermeister von Tönisvorst, Richard Beckers, Geschäftsführer von Action Medeor und das Hilfswerk hatte schon 22 Jahre erfolgreiche Arbeit geleistet. Am gestrigen Dienstag, 13. August, wurde die Notapotheke der Welt 60 Jahre alt. Sie ist jetzt zwar ins Seniorenalter gerückt, ist aber fit und agil wie eh und je. Das sechs Jahrzehnte alte Hilfswerk blickt in die Zukunft und beschäftigt junge Leute, die sich der Idee und der Vision, Menschen in Not zu helfen, verschrieben haben.

Susanne Biermann hat ihre Lehre schon damals bei Action Medeor absolviert.

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Ein Beispiel dafür ist die 26 Jahre alte Tabita Werner, die erst am 1. August als Trainee in der Programmabteilung in Vorst begonnen hat. Sie hat Biowissenschaften studiert und ihren Master in Global Health gemacht. Sie hat im Ausland studiert und an der Universität Glasgow gearbeitet und hat sich ganz bewusst für eine Bewerbung bei Action Medeor entschieden. „Obwohl ich so viel und so lange im Ausland war, habe ich noch nie so international arbeiten können wie jetzt hier“, sagt die junge Frau. Der Empfang der Kollegen sei sehr herzlich gewesen und sie sei schon seit Tag 1 in die Arbeit eingebunden worden. Mentoren stünden ihr jederzeit hilfreich zur Seite.

In ihrem Bereich des frankofonen Afrikas und Asiens sei die Arbeit sehr umfangreich. Das Traineeprogramm läuft über zwei Jahre und beinhalte zahlreiche Fortbildungen, Summer Schools und externe Lehrgänge. „Ich kann mich mit dem Leitbild des Hauses, dass allle Menschen eine ähnlich gute Gesundheitsversorgung wir wir selbst haben sollten, voll identifizieren“, sagt Tabita Werner.

Tabita Werner ist seit dem 1. August in der Programmabteilung als Trainee angestellt.

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Ja, es habe auch schon mal eine externe Schulung bei Neuerungen gegeben, „aber das meiste haben wir uns selber beigebracht,“ sagt hingegen Susanne Biermann. Das Faxgerät sei damals schon eine riesige Erleichterung gewesen, doch waren die Thermopapierrollen nicht für die Ewigkeit gemacht gewesen. „Nach einiger Zeit war der Text darauf verschwunden“, sagt sie lachend. Ihre Lehre sei damals auf zwei Jahre verkürzt worden und sie sei immer im Vorstandssekretariat geblieben. „Nur wenn sich Katastrophen anbahnten, mussten alle ins Lager und packen“, sagt sie rückblickend. Dann wurden in kürzester Zeit Medikamentenpakete gepackt und in Jutesäcken verstaut. Die Poststelle in Vorst musste damals sogar vergrößert werden, weil das kleine Postamt die Flut an Paketen, die damals schon das Haus verließen, nicht stemmen konnte.

Sid Peruvemba ist sei vier Jahren Vorstandssprecher bei der Action Medeor in Vorst.

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Große Mengen an Paketen werden weltweit verschickt

Heute wurden aus dem 4000 Quadratmeter großen Lager im Jahr 2023 22 127 Pakete mit dem Gesamtgewicht von 448 Tonnen in 56 Länder verschickt. 86 Mitarbeiter in Deutschland, 41 Kollegen in Tansania und 18 Mitarbeiter in Malawi arbeiten heute für die Action Medeor. Unterstützt werden sie von 65 ehrenamtlich Tätigen. 2023 gingen in Vorst 20,6 Millionen Euro freie und gebundene Geldspenden ein und 14,1 Millionen Euro erreichten das Hilfswerk an Fördermitteln.

„Die vergangenen Haushaltsdebatten lassen ahnen, dass wir mit Kürzungen in den Fördermitteln aus dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und aus dem Auswärtigen Amt rechnen müssen“, sagt Sid Peruvemba. Aber getreu dem Motto: „Kein Mensch soll an einer behandelbaren Krankheit sterben“, sei die Spendenbereitschaft der Menschen groß. Schon mit kleinen, monatlichen Spenden könnten Menschenleben gerettet werden. Für die Aufgaben der Zukunft hat sich Action Medeor breit aufgestellt. Sid Paruvemba, 2020 als Nachfolger von Bernd Pastors ins Amt des Vorstandssprechers geholt, erklärt die mittlerweile fünf Säulen: den eingetragenen Verein Deutsches Medikamtenhilfswerk Action Medeor, die Stiftung, Action Medeor Labswork, Action Medeor Tanzania und Malawi.

Für Sid Paruvemba zählen die Menschlichkeit, die regionalen Wurzeln und die Glaubwürdigkeit des Hilfswerks zum 60. Geburtstag. Dafür arbeitet er, der jeden Tag aus Köln an den Niederrhein pendelt, mit Überzeugung. „Wenn ich in zehn Jahren in Rente gehe, sehe ich Action Medeor noch immer breit aufgestellt“, wagt Susanne Biermann den Blick in die Glaskugel.

Große Festwochen wird es zum 60. nicht geben. Das Arbeitsaufkommen ist an den drei exemplarischen Schreibtischen und bei allen anderen Mitarbeitern enorm, zumal auch die Ukraine seit dem russischen Angriffskrieg in das Hilfsprogramm von Action Medeor aufgenommen wurde.

(male)