Betreuung im Alter Warum Senioren in Düsseldorf so hart um einen Pflegeplatz kämpfen müssen
Düsseldorf · Passende Grundstücke gibt es kaum und Fachkräfte sind rar. Warum die Schaffung neuer Kapazitäten in Düsseldorf so schwierig ist.
Die Pflegesituation in der Landeshauptstadt bleibt angespannt. Zum einen übersteigt im Bereich der vollstationären Plätze die Nachfrage das Angebot, zum anderen fehlen Pflegefachkräfte. Hinzu kommen fehlende Grundstücke und betriebswirtschaftliche Erwägungen, die den Bau neuer Häuser in einigen Fällen verzögern oder unmöglich gemacht haben.
„Die Interessenten rennen uns die Türe ein. Für unser neues Pflegeheim St. Anna in der Altstadt haben sich in einem halben Jahr rund 500 Pflegebedürftige beworben“, sagt Anna Gockel-Gerber, Vorstandsvorsitzende der Düsseldorfer Caritas. Zur Verfügung stehen in dem Neubau 100 vollstationäre Pflegeplätze, hinzu kommen 20 Plätze für die Kurzzeitpflege sowie 16 für die Tagespflege. Der organisatorische Aufwand, um zu klären, wer am Ende eine Zusage bekommt, sei dementsprechend hoch, stellt sie fest. Ähnliches gelte für die Suche nach neuen Mitarbeitern. Derzeit seien noch zehn von 100 Stellen für St. Anna unbesetzt. „Zusätzliche Leute fallen nicht vom Himmel“, meint Gockel-Gerber.
Dass in den kommenden Jahren 30 Prozent der rund 1700 Caritas-Mitarbeiter (darunter etwa 800 Frauen und Männer im Pflegebereich) in Rente gehen, mache die Sache nicht einfacher. Für Entlastung sorgen Kräfte aus dem Ausland. „Wir bilden hier Menschen unter anderem aus Afrika zur Pflegekraft aus. Hinzu kommen Bewerber, die in ihrem Heimatland bereits eine Ausbildung absolviert haben, die hier eine Chance auf Anerkennung hat“, erläutert Gockel-Gerber.
Darüber, dass Düsseldorf ungeachtet der immer wichtiger werdenden ambulanten Pflege in den eigenen vier Wänden und der Schaffung innovativer Wohnformen einen Mehrbedarf an stationären Plätzen hat, sind sich die meisten Experten einig. Doch warum ist es so schwer, in der Landeshauptstadt neue Heime zu bauen? „Es muss sich am Ende rechnen und das ist in einer Stadt wie dieser nicht einfach“, sagt Stefan Fischer, Vorstandssprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Düsseldorf.
Ein entscheidender Faktor seien die fehlenden beziehungsweise teuren Grundstücke. Infrage kämen vor allem städtische Flächen, die beispielsweise über das Erbbaurecht zur Verfügung gestellt würden. Doch auch in solchen Fällen gehe es am Ende immer ums Detail.
Was das konkret bedeutet, erläutert Fischer am Beispiel eines Heims, das das DRK auf dem Areal der beiden Benrather Schulen hatte betreiben wollen. Angedacht war, dass die Stadttochter IDR das Haus baut und das DRK nach Fertigstellung als Mieter auftritt. „Wir wollten, wie es im Markt für neue Heim-Standorte üblich ist, in den ersten sechs Monaten mietfrei bleiben und in den daran anschließenden 18 Monaten einen Mietpreis zahlen, der an die jeweils erreichte Belegungsquote gekoppelt ist“, beschreibt Fischer den Vorschlag seines Verbandes. Doch letztlich sei das von den potenziellen Vertragspartnern abgelehnt worden und das Heim kam nicht zustande.
Einen Rückzug aus einem Projekt, bei dem sogar schon der Erbbaurechtsvertrag geschlossen war, hatte es vor wenigen Jahren bei der Caritas gegeben. Geplant war ein Projekt im neuen Ludgeri-Quartier an der Merowingerstraße, das 91 Plätze in der Altenpflege sowie weitere Kurzzeit- und Tagespflegeplätze plus Azubi-Wohnplätze geschaffen hätte.
„Mit St. Anna hätten wir dann allerdings zwei Großprojekte teilweise zur gleichen Zeit umsetzen müssen und dafür fehlten uns letztendlich die Kapazitäten. Der Einsatz von Eigenmitteln ist am Ende nun mal begrenzt“, begründet Gockel-Gerber den Ausstieg.
Neue stationäre Pflegeplätze wird es in naher Zukunft auch bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) nicht geben. „Es gibt Pläne und Vorüberlegungen, an denen auch politische Gremien beteiligt sind, aber spruchreif ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts“, sagt Awo-Sprecher Wolfram Lotze.
Betroffene müssen teilweise auf umliegende Städte ausweichen
Für ältere Menschen mit nachlassenden Kräften und ihre Angehörigen bleibt die Lage also bis auf Weiteres angespannt. Dass einige nach Neuss, Duisburg oder in den Kreis Mettmann ausweichen müssten, um versorgt zu sein, sei kein guter Zustand, bemängeln viele Betroffene. Es reiche halt nicht, immer wieder einmal einen Pflegegipfel im Rathaus zu veranstalten. Gefragt seien konkrete Projekte.
Tatsächlich fehlen nach den Berechnungen der vergangenen Jahre in Düsseldorf bis zu 1000 stationäre Plätze. So lag die Zahl der vorhandenen Plätze im August 2023 bei etwas mehr als 4800. Berechnungen aus den vergangenen Jahren prognostizierten für 2025 einen Bedarf von 6300 Plätzen. Die Stadt geht inzwischen davon aus, dass diese Werte nicht mehr valide sind, und hält deshalb eine Neubewertung für überfällig. Damit beauftragt wurde ein Institut für Sozialforschung und Gesellschaftswissenschaften. Es hat die Ist-Situation am 31. Dezember 2023 erfasst und soll auf dieser Basis den Bedarf bis zum Jahr 2045 ermitteln. „Für neue Prognosen und Bedarfsrechnungen werden die Ergebnisse dieser Studie abzuwarten sein, diese sind für das erste Quartal 2025 angekündigt“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit.