1933: Nazi-Gewalt - Hilferuf an den Papst

Eine Düsseldorferin schilderte Pius XI. in einem Brief die Nazi-Gewalt — doch ein Kölner Domkapitular wiegelte sogleich ab.

Düsseldorf. „Wir Christen können diese Schandtaten nicht mehr länger ertragen und bitten daher Seine Heiligkeit, dazu beizutragen, dass von katholischer Seite aus gegen dieses System vorgegangen wird.“ Diese Zeilen stammen aus einem anonymen Brief, den Ende Juli 1933 eine Düsseldorfer Katholikin, die sich „Frau der Gerechtigkeit“ nannte, an Papst Pius XI. schickte. Das Schreiben findet sich im mittlerweile für die Forschung zugänglichen Vatikanischen Geheimarchiv. Bastian Fleermann, der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, und Dominikanerpater Elias Füllenbach würdigen und analysieren es im neuen Düsseldorfer Jahrbuch (Band 83) in einem Aufsatz.

Die Briefschreiberin zeigte sich gut informiert über die Details der Verfolgungen und Misshandlungen von Regimegegnern in Düsseldorf schon gleich nach der Machtergreifung. So führt sie politische Morde etwa an kommunistischen Funktionären und ihre Vertuschung an. Sie erwähnt zutreffend, so die Autoren des Aufsatzes, wie zum Beispiel SA-Männer im Nazi-Stammlokal „Schlegelkeller“ an der Bismarckstraße Wehrlose brutal verprügelten, teilweise umbrachten und in den Rhein warfen. Vieles geschehe nicht heimlich, sondern sei längst Tagesgespräch in der Stadt, teilte sie dem Papst in Rom mit. Vermutlich hat Pius den Brief — anders als das Pendant von Edith Stein, die ihn um öffentlichen Protest gegen die Judenverfolgung bat — nie persönlich gelesen. Doch der Vatikan legte ihn auch nicht einfach ad acta, sondern bat bei der zuständigen Diözese Köln um Bewertung der geschilderten Vorfälle.

Am 3. August 1933 nahm Domkapitular Oberdörfer Stellung. In seinem Brief an den Papst spielt er die Vorwürfe als Hetzpropaganda gegen die neuen Machthaber herunter. So schrieb er: „Der Bericht ist lügenhaft und paßt gar nicht zum jetzigen Stand der Lage in Deutschland.“ Wie wenig dem Geistlichen offenbar an der Wahrheitsfindung gelegen war, zeigt, dass er den Kölner Regierungspräsidenten zum Inhalt des Briefes befragte, dabei war der bekanntlich gar nicht zuständig für Düsseldorf. Fleermann und Pater Elias sprechen von einem offenkundigen Fehler des Vatikans, diesen Domkapitular mit der Stellungnahme zu beauftragen.

Ein Fehler, der freilich noch ins damalige Bild der katholischen Kirche und ihrem Verhältnis zu Nazi-Deutschland passte: Erst 1937, noch im Pontifikat von Pius XI. (1922-39), distanzierte sich die römische Kurie mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ entschiedener vom NS-Regime.