„Alkohol ist im Düsseldorfer Verkehr das häufigste Problem“
Stephania Lanzillotta-Reichstein ist Leiterin der ABV-Prüfstelle für Fahreignung. Sie warnt vor steigendem Drogenkonsum.
Düsseldorf. Dieses Jahr feiert die ABV Gesellschaft für angewandte Betriebspsychologie und Verkehrssicherheit am Konrad-Adenauer-Platz ihr 60-jähriges Bestehen. Seitdem hat sich viel verändert, angefangen beim so genannten „Idiotentest“, der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Die Verkehrspsychologie wird zudem vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt.
Wie stark hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Stephania Lanzillotta-Reichstein: Den reinen „Idiotentest“, ursprünglich für Hirngeschädigte entwickelt, gibt es ja kaum noch. Heute werden in erster Linie alkohol-, drogen- und punkteauffällige Fahrer untersucht, auch sind zusätzliche Beratungen und verkehrspsychologische Therapiemaßnahmen dazugekommen. Eine deutliche Veränderung zeigt sich aber bei den Autofahrern selbst: Immer mehr werden mit Drogen am Steuer erwischt.
Was sind die häufigsten Gründe für eine MPU? Und wie äußert sich dies in Düsseldorf?
Lanzillotta-Reichstein: In Düsseldorf, wie auch bundesweit, ist Alkohol das häufigste Problem, gefolgt von Drogen und Punkten in Flensburg. Auffällig ist der angestiegene Konsum von aufputschenden Mitteln, wie Amphetamine. Diese Droge macht die Autofahrer euphorisch, die Reaktionsfähigkeit wird zugleich stark beeinträchtigt — eine gefährliche Kombination.
Welche Personengruppen kommen verstärkt zur MPU in Düsseldorf?
Lanzillotta-Reichstein: Es handelt sich wirklich um die verschiedensten Menschen aus allen Schichten. Wir hatten schon Ärzte, denen der Führerschein wegen Drogenkonsum entzogen wurde, oder Juristen, die ein Alkoholproblem haben, bis hin zur gestressten, frisch geschiedenen Mutter, die sich im Verkehr nicht mehr konzentrieren konnte. Oft spielen die persönlichen Lebensumstände eine wichtige Rolle.
Im Vergleich zu anderen Städten, wie gut fahren die Düsseldorfer?
Lanzillotta-Reichstein: Düsseldorf ist eine Großstadt, mit vielen Autofahrern und Pendlern. Hinzu kommen die vielen Baustellen. Aber dieses Problem hat eine Stadt wie Berlin oder Köln auch. Es ist klar, dass der Rhythmus hier anders ist, als in einem kleinen Ort und dass es öfter knallt.
Was bestimmt denn die charakterliche Eignung zum Autofahren?
Lanzillotta-Reichstein: Das wird je nach Fall entschieden. Beispielsweise muss ein Drogenkonsument andere Voraussetzungen erfüllen als punkteauffällige Fahrer. Es gab auch einmal einen Fall, dass eine Mutter ihr Kind brutal misshandelt hat. Auch sie wurde zur MPU geschickt. Ob jemand ein zu großes Aggressionspotenzial für den Verkehr besitzt, zeigt sich dann in entsprechenden Untersuchungen.
Wie stellt sich die Verkehrspsychologie auf den demografischen Wandel ein?
Lanzillotta-Reichstein: Das ist besonders schwierig, denn es gibt 70-Jährige, die sind fit wie 50-Jährige und umgekehrt. Es bleibt also vorerst freiwillig. Grundsätzlich gilt, dass der Führerschein und die Mobilität für ältere Menschen zur Lebensqualität beiträgt, das darf ihnen nicht sofort genommen werden.
Was sind mögliche Lösungen?
Lanzillotta-Reichstein: Wichtig ist, dass viel Werbung, z.B. bei der Führerscheinstelle, für den freiwilligen Reaktionstest gemacht wird und den Senioren die Wichtigkeit ans Herz gelegt wird. Eine gute Idee ist auch der „Veedels-Führerschein“, mit dem Senioren unter Beschränkungen, z.B. zu bestimmten Tageszeiten in dem ihnen bekannten Wohn-Viertel Besorgungen mit dem Auto machen können, jedoch nicht im gesamten Stadtgebiet.