Das Ehrenamt verändert sich

Freiwilligkeit ist in sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens unverzichtbar, aber immer seltener passen Job und das Engagement zusammen.

Foto: Melanie Zanin

Die närrischen Tage sind vorüber. Und, so kann man es sicher sagen, zur großen Zufriedenheit aller gut verlaufen. Der Erfolg einer Großveranstaltung wie etwa dem Rosenmontagszug hängt dabei zu großen Teilen von einem gesellschaftlichen Element ab: dem Ehrenamt. Zeit, dieses einmal zu beleuchten. Wer die Menschen sind, die sich ohne Gegenleistung in Organisationen und Vereinen verdingen, weiß die Ehrenamtsbeauftragte der Stadt, Helma Wassenhoven.

Frau Wassenhoven, können Sie beziffern, wie viele Menschen in Düsseldorf ehrenamtlich arbeiten?

Helma Wassenhoven: Nicht genau. Es gibt keine eindeutigen Zahlen dazu. Aber wir haben vor ein paar Jahren eine Erhebung gemacht, bei der 78 000 Ehrenamtler uns eine Rückmeldung gegeben haben. Wir wissen, dass es noch viel mehr Menschen im Ehrenamt gibt, da gehen wir von einer guten sechsstelligen Zahl aus.

Würden Sie einmal erklären, wo das Ehrenamt überhaupt anfängt?

Wassenhoven: Viel früher, als manche es vermuten würden. Wer beim Sportfest den halben Tag lang Kuchen verkauft, arbeitet ehrenamtlich. Zum Ehrenamt gehört jede Arbeit, die unentgeltlich gemacht wird. Trotzdem gibt es da noch Unterschiede, die Ehrenamtskarte vom Land NRW etwa gibt es erst ab einem gewissen Pensum, ab 250 Stunden im Jahr.

Wie viele Düsseldorfer haben denn derzeit eine Ehrenamtskarte?

Wassenhoven: Wir haben bislang rund 2200 Karten verschickt.

Wer sind die Leute, die „für umsonst“ ihre Zeit zur Verfügung stellen? Ist das größtenteils der Mittelstand oder sind es andere Gruppen?

Wassenhoven: Tatsächlich ist das sehr durchmischt. Da kann ich keine vorherrschende Personengruppe ausmachen. Natürlich gibt es auch viele Ehrenamtler im sogenannten Mittelstand. Aber niedrigere Einkommensgruppen sind auch stark vertreten. Daran lässt sich das Engagement nicht festmachen.

Und was ist die Motivation der Ehrenamtler?

Wassenhoven: Es gibt sehr viele Gründe, sich für etwas ohne Gegenleistung zu engagieren. Aber in den Gesprächen mit Ehrenamtlern höre ich immer wieder, dass es darum geht, zu etwas Sinnstiftendem beizutragen, etwas zurückzugeben, was Gutes zu tun. Auch die Gemeinschaft, das gemeinsame Arbeiten, die Kontakte sind wichtig.

Heißt das, dass berufstätige Menschen weniger Anreiz haben, sich ehrenamtlich zu engagieren? Weil sie gemeinsames Arbeiten und Kontakte schon haben?

Wassenhoven: Das kann man nicht pauschalieren, aber es gibt tatsächlich Lebensphasen, in denen die ehrenamtliche Arbeit oft eine andere ist. Rund um die Familiengründung etwa sind die Menschen eher im Förderverein der Kita oder der Schule aktiv. Aber auch Berufstätige üben Ehrenämter aus.

Ein Beispiel?

Wassenhoven: Aber ja: Wenn Sie sich die Rettungssanitäter genauer anschauen, stellen Sie fest, dass die allermeisten ehrenamtlich arbeiten. Die haben alle einen Job, sind vielleicht Buchhalter, und machen dieses sehr intensive Ehrenamt nebenher. Dass sie dabei immer öfter Anfeindungen und Schikanen erleben müssen, ist sehr traurig. Auch ein Rosenmontagszug wäre ohne die unzähligen Helfer im Rettungswesen nie möglich.

Gibt es bei den Organisationen Probleme, genügend Ehrenamtler zu finden? Und gibt es da Unterschiede in den Bereichen?

Wassenhoven: Es gibt jetzt keinen Bereich, der besonders auffällt. Natürlich war das Thema Flüchtlinge eins, bei dem innerhalb kürzester Zeit sehr viel Hilfe zusammenkam. Aber eigentlich haben alle Sparten, und das nicht nur in Deutschland, sondern genau so im Ausland, das gleiche Problem: Es wird immer schwieriger, Menschen langfristig an ein Ehrenamt zu binden. Viele wollen heute nur in Projektphasen mitwirken. Darauf reagieren die Träger verstärkt.

Woran liegt diese Entwicklung?

Wassenhoven: Die Lebensentwürfe sind heute einfach anders. Alleine in der Berufsfindung herrscht eine hohe Fluktuation. Viele wissen nicht, wie schnell sich ihre berufliche Situation wieder ändert, ob sie die Stadt verlassen oder einfach beim nächsten Jobwechsel andere Zeiten haben.

Steckt denn noch genug Ehre im Ehrenamt? Wie viel Wertschätzung genießt die Freiwilligkeit?

Wassenhoven: Wir versuchen schon, mit besonderen Veranstaltungen und Auszeichnungen für Einzelne wie dem Martinstaler das Engagement zu würdigen. Und das machen die Träger der Vereine und Organisationen auch. Manchen Ehrenamtlern ist gar nicht bewusst, dass sie welche sind. „Ach, ich mach das doch gerne“, sagen diese oft. Dabei stehen sie jeden Sonntag irgendwo und helfen, im Verein zum Beispiel. Trotzdem ist es manchmal schade, dass dieser Einsatz in der Öffentlichkeit nicht entsprechend gewürdigt wird. Wenn ich mitbekomme, dass zum Beispiel nach einem von Freiwilligen organisierten und durchgeführten Martinszug gemeckert wird, weil eben mal eine Straße gesperrt wird oder irgendetwas anderes nicht gepasst hat, ärgert mich das schon. Das Engagement gerade in den Stadtteilen ist schon etwas Besonderes, dafür müssen wir dankbar sein.