„Das Schönste ist, mal wieder ein Buch zu lesen“
Mit der Brille „Orcam“ können sich Blinde Texte vorlesen lassen. Sie ist eines von vielen Hilfsmitteln für Sehbehinderte.
Keine Farben mehr sehen, nicht mehr die Straßenschilder erkennen und gerade noch den Unterschied zwischen hell und dunkel wahrnehmen. Das ist Alltag für Elisabeth Stiebeling, die erste Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Düsseldorf. Sie ist seit ihrer Geburt schwer sehbehindert.
Zusammen mit ihrem Mann Günter Stiebeling, der seit seiner Geburt blind ist, organisiert sie den Aktionstag „Das Ziel im Blick“, am Dienstag, 10. Oktober, im Marienhospital. Der Tag findet im Rahmen der bundesweiten „Woche des Sehens“ statt. „Es werden verschiedene Hilfsmittel und Blindenselbsthilfevereine vorgestellt, und es gibt auch drei ärztliche Vorträge“, sagt Günter Stiebeling.
Eines dieser Hilfsmittel ist die „Orcam“, eine Brille, die seinem Träger Texte vorlesen kann. „Die Orcam ist ein gigantischer Fortschritt für Sehbehinderte“, sagt der Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde im Marienhospital Dr. Babac Mazinani. Die Brille ist vor allem für Menschen geeignet, die ihre Sehkraft soweit verloren haben, dass sie nicht mehr lesen können. Zum Beispiel das, was auf einem Straßenschild steht, aber die Umrisse des Schilds noch erkennen können. Mit Hilfe von Fingerzeigen kann der Träger der Brille sich einen Text vorlesen lassen.
„Man muss bei der Brille darauf achten, dass die Umgebung hell genug ist, damit sie den Text erkennt, auch kann sie keine Handschriften lesen“, sagt Klaus Bierbaum, er ist der erste Träger der Orcam in Düsseldorf. Trotz der Einschränkungen ist er begeistert von der Brille: „Das schönste ist, mal wieder ein Buch zu lesen“. Die Brille wurde vor zwei Jahren von einer israelischen Firma entwickelt.
„Es gibt zwei verschiedene Versionen: Die Orcam MyEye kann sich zum Beispiel auch Gesichter merken. Die Orcam MyReader kann nur vorlesen, das ist auch die, die ich habe“, sagt Klaus Bierbaum. Mit 3200 Euro für die einfachere Version MyReader ist die Brille nicht ganz günstig. „Die Orcam ist schon sehr teuer, da überlegen viele, ob sie sich das leisten können“ sagt Elisabeth Stiebeling. Bis jetzt übernimmt nur die Techniker Krankenkasse einen Teil der Kosten für die Brille.
Aber die Orcam ersetzt nicht die anderen Hilfsmittel, die Blinde brauchen: „Wir brauchen einen Mix aus allen möglichen Hilfsmitteln. Die Brille ist ein spezielles Beispiel für eines davon“, sagt Günter Stiebeling — ein Beispiel dafür, wie Blinde und Schwersehbehinderte ihren Alltag mit Hilfsmittel besser und angenehmer gestalten können.