Schulserie Das Wim-Wenders-Gymnasium: Eine Schule, die mit ihren Schülern wächst

Düsseldorf · In einer neuen Serie stellen wir die Schulen dieser Stadt vor. Unsere Autoren besuchen die Einrichtungen an einem normalen Schultag und berichten davon. Am Ende des Jahres wählt eine Jury die Träger des Schulpreises, den die WZ und die Stadtwerke vergeben. Folge 1: das Wim-Wenders-Gymnasium.

Musiklehrer Hilmar Fries sitzt am Klavier. Heute singen die Schüler der Klasse 5 C mit ihm das Lied „O bella, ciao!“. Geübt haben sie dafür mehrere Wochen und gesungen haben sie es schon vor Wim Wenders höchstpersönlich.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Leo (10) und sein Freund Henri (10) haben ihre Materialien auf dem Tisch verstreut. Eine Birne, viele bunte Kabel und ein Schalter liegen vor ihnen. Sie gilt es korrekt zu verbinden, damit die Birne leuchtet. Doch so einfach wie mal eben zu Hause den Lichtschalter an und aus knipsen ist es eben nicht.

Es ist Donnerstagmorgen, kurz nach elf Uhr. Willkommen im Wim-Wenders-Gymnasium. Im Klassenraum herrscht rege Betriebsamkeit, Schüler reden durcheinander, diskutieren, lachen und experimentieren. Gerade hat die Klasse 5 A eine offene Stunde Physikunterricht bei ihrem Lehrer Lutz Tomala (35) und das Thema heißt Ampelschaltung. Offene Stunde, das heißt durcheinander reden, mal den Platz verlassen und einem anderen Klassenkameraden über die Schulter schauen, ist erlaubt und erwünscht.

Wie sieht denn nun die richtige Ampelschaltung aus? Einige Schüler der Klasse 5 A schreiben ihre Ergebnisse für die Klassenkameraden an das Whiteboard und dann geht es nach einer kurzen Pause auch schon in die nächste Stunde.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Drei Aufgaben stehen auf dem Whiteboard, eine davon: eine „einfache Fußgängerampel mit Skizze“ zu bauen und zu zeichnen. Leo und Henri sind über ihre Hefte gebeugt und versuchen sich an ersten Zeichnungen. „Es ist kompliziert. Manchmal versteht man das nicht sofort“, sagt Leo und runzelt die Stirn. Henri nickt zustimmend. Puh, ein Glück, dass man so oft probieren kann, wie man will.

Foto: WZ

Einige Tische weiter ist man auch schon einige Schritte weiter. Die Lämpchen von Nele (10), Emma (11) und Charlotte (10) lassen sich problemlos an- und ausschalten. Doch Moment. „Das ist aber eine Reihenschaltung. Wir brauchen eine Parallelschaltung“, erklärt Nele ihrer Nachbarin Emma. Die hört aufmerksam zu. Also noch mal korrigieren. Gut, so sieht es besser aus. Lutz Tomala geht durch die Reihen und begutachtet die Werke. Die drei Schülerinnen haben alles richtig gemacht. Dafür gibt es drei lächelnde rote Smileys, drei Mal „top!“ im Heft und drei Lächeln in stolzen Gesichtern.

Dem Wechsel von der Grundschule in die weiterführende Schule haben die Mädchen mit großer Aufregung, Neugierde, aber auch einigen Bedenken entgegen geblickt. Wie wird es in der neuen Schule? Wie sind die Lehrer? Werden wir uns wohlfühlen? Die einstimmige Antwort der Freundinnen lautet: Ja, wir fühlen uns hier sehr wohl.

Nele (links) und Emma lieben den Physikunterricht. Eine Ampelschaltung bauen? Für die Schülerinnen kein Problem.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Besonders gut gefällt ihnen die Talentschmiede, eine der Besonderheiten des gebundenen Ganztagsgymnasiums, das seinen Betrieb 2017 mit vier Eingangsklassen aufgenommen hat. Die Schüler wählen nach individuellen Interessen und Talenten für ein Schuljahr eine Talentschmiede. Sie findet einmal wöchentlich in einer Doppelstunde am Vormittag statt. Die Auswahl ist groß. Die Kinder können sich zwischen: Film, Forscherwerkstatt, Fotodokumentation, Nähen, Orchester, Robotik, Sport, Stabpuppenspiel, Tanz und Mädchenfußball entscheiden. Nele und Charlotte haben sich für Nähen entschieden, Emma hat sich zum Tanz hingezogen gefühlt. Aber wer weiß, was die Zukunft noch alles bringen wird. Nach 45 Minuten ertönt der Gong. Zuvor hat Nele noch ihren Schaltkreis für die anderen Kinder vorne aufgemalt. Sachen zusammenpacken und ab in eine kurze Pause, denn danach steht schon das nächste Fach auf dem Stundenplan.

Draußen auf dem Gang läuft Schulleiterin Antonietta Zeoli in ihr Büro. Schon von weitem deutlich hörbar durch ihr ansteckendes Lachen und ihrem Gruß. Ein lautes „Salve“ tönt durch Kinderstimmen und Gelächter. Was macht denn die Schule in ihren Augen so besonders? Zeoli lächelt. Zum Einen sei es natürlich die Situation des Aufbaus. Denn das Gymnasium, so wirkt es, wächst gemeinsam mit seinen Schülern nach und nach immer mehr heran. Zum Anderen sei es sehr familiär. „Wir können uns liebevoll um unsere Schüler kümmern“, betont sie. Liebevolles Lernen, so kann man den Ansatz des Gymnasiums mit seinem 22-köpfigen Kollegium für die rund 230 Schüler beschreiben.

Die Schule, die sich als „Begegnungsstätte von Kunst und Naturwissenschaften“ sieht, bietet dafür einige Möglichkeiten. Neben den Talentschmieden gibt es Arbeitsgemeinschaften für Nachhaltigkeit, Yoga, Seifenkisten oder Chinesische Kunst und Kultur. Im Schulgarten ernten die Kinder nicht nur ihr eigenes Gemüse und backen Pizza im eigenen Pizzaofen, sondern nehmen auch Bodenproben und untersuchen die Samen.

Die nächste Schulstunde hat angefangen. In den Gängen ist wieder Ruhe eingekehrt. Doch plötzlich ertönt ein Klavier und lauter Gesang. In der Aula unterrichtet Hilmar Fries (48) die Klasse 5 C in Musik. Auf dem Programm steht heute wieder ein ganz besonderes Lied. „O bella, ciao! O bella, ciao!“, singen die Schüler. Ein Lied mit durchaus ernstem Hintergrund, handelt es sich doch um eine Hymne, die italienische Partisanen während des zweiten Weltkrieges im Kampf gegen den Faschismus gesungen haben. Mehrere Wochen haben die Kinder dafür geübt, das Lied sogar im vergangenen Jahr vor ihrem Schul-Namensgeber Wim Wenders gesungen.

Doch für Hilmar Fries ist es noch nicht laut genug. Er will drei P’s von ihnen: mehr Pep, mehr Power und mehr Pfeffer. Nach der Gesangseinlage gibt es aber noch Theorie. In den vergangenen Wochen haben die Kinder auf iPads Keynote-Präsentationen über Musikinstrumente erstellt, heute geht es weiter mit dem Thema Metrik. Wie definiert man eigentlich einen Grundschlag und wie findet man den Pulsschlag eines Songs? Fries spielt von Adele das Lied „Set Fire to the Rain“, Ed Sheerans „Shape of You“ und von Michael Jackson „Billie Jean“. Alle kennen die Lieder, aber im Takt zu bleiben ist nicht einfach. Cédric hat den Dreh heraus und klatscht den richtigen Takt. Wie er das genau macht? Ein kurzer, verlegener Blick. Achselzucken. Hm, das weiß er jetzt auch nicht so genau. Er verlässt sich ganz auf sein Gefühl. Und das wird an dieser Schule ganz groß geschrieben.

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