Der Osterhase als Co-Therapeut

Hunde lassen sich füttern, Pferde führen: Im Norden von Düsseldorf wird tiergestützte Therapie für Kinder praktiziert — mit großem Erfolg.

Düsseldorf. Gleich hinter dem „Apfelparadies“ an der Duisburger Landstraße liegt noch ein weiteres: eine Tierfarm. Allerdings eine besondere: Die Idylle ist ein Therapiepark. Hier trägt der „Osterhase“ schwarz. Eigentlich ein Kaninchen, aber es spielt seine Rolle gut. „Er ist der Chef hier“, erklärt Stefanie Ruhfus (32), Diplom-Ergotherapeutin und Inhaberin des Parks in dem geräumigen Stall, in dem neben dem Alpha-Tierchen noch einige gescheckte Artgenossen und etliche pummelige Meerschweinchen herumhopsen.

Andere Tiere gehorchen weniger, lassen sich dafür aber genauso gerne streicheln.

Coco und Nala, die beiden Labrador-Hündinnen, wollen auch mit rein. Alle vertragen sich prächtig miteinander. „Besucher sind immer erstaunt“, erklärt Ruhfus. Hier, am äußersten Rand von Düsseldorf, wird seit 2013 tiergestützte Therapie praktiziert. Auch und gerade zu Ostern. Es werden Osterhasen gebastelt, auch Häuser und Nester, Eier bemalt. Drei Familien haben sich in der Nachbarschaft eingemietet. Sie sind für eine familienorientierten Intensivtherapie angereist. So sind zehn Therapieeinheiten in einer Woche möglich. Geschwisterkinder können eingebunden werden, Eltern haben einen Raum für eine eigene Auszeit, in dem sie sich mit Moorpackungen oder Massagen entspannen können. Ruhfus: „Viele haben massive Rückenbeschwerden vom ständigen Heben und Tragen.“

Foto: Therapiepark

In Curacao hat sie die Delphin-Therapie kennen gelernt, die auch Thema ihrer Diplomarbeit war. Vor- und Nachsorge für diese oft beschriebene Therapieform gehören auch in Wittlaer zum Programm. Bereits in Curacao entstand die Idee für den deutschen Tierpark als Therapiezentrum. Stefanie Ruhfus, geboren in Schwaben, aufgewachsen in den USA, Abitur in Kaiserswerth, hat Ergotherapie studiert, schon damals mit Blick auf eine künftige Selbstständigkeit. Am Rande von Düsseldorf fand die junge Therapeutin schließlich ihr Anwesen, ein einstiges herrschaftliches Privathaus aus den 30er Jahren mit viel Grün drum herum: „Im Businessplan stand noch Bauernhof.“

Von und zu ihm führen Reit- und Wanderwege, auch ein Reiterhof ist in der Nähe. Die gutmütige Isländer-Stute Dilli gehört zum Therapie-Team, die beiden ausgebildeten Hunde, sechs Meerschweinchen, drei Kaninchen. Ruhfus: „Die kommen aus dem Tierschutz. Als Zwergkaninchen erworben und als sie dann wuchsen, wurden sie ausgesetzt.“ Wenn Kinder die Geschichte hören, reagieren sie oft besonders liebevoll: „Du hast auch so ein blödes Schicksal.“

Der witzigste Co-Therapeut dürfte ein winziger Kampffisch sein, der fast ganz aus einem purpurroten Schleier besteht. Die Kinder lieben ihn, er lässt sich nicht nur füttern, sogar in die Hand nehmen und schwimmt durch einen Reifen. Solch ein Aquarium ist gut für Konzentrations- und Suchspiele. Wissenschaftlich formuliert sind die Tiere Motivations- und Belohnungsfaktoren, dienen als „Katalysator“ bei Lern- und Entwicklungsprozessen. Spielerisch wird an motorischen, sensorischen, kommunikativen und sozialen Kompetenzen gearbeitet.

Erwiesen ist: Tiere sprechen die Gefühlsebene des Menschen an. Ist man mit ihnen zusammen, stabilisiert sich der Kreislauf, der Blutdruck sinkt. Stress wird reduziert. Durch den Körperkontakt zum Tier sinkt auch der Muskeltonus, der Körper beruhigt und entspannt sich. Diese Lebewesen akzeptieren ihr Gegenüber so wie es ist, werten nicht, urteilen nicht. Durch sie erfährt der Mensch, was er oft vermisst: bedingungslose Zuwendung, Zärtlichkeit, Trost und Aufmunterung. Ruhfus: „Manche Kinder sprechen nicht. Die Tiere auch nicht. Sie verstehen sich trotzdem.“ Durch den Umgang mit den tierischen Spielkameraden lernen Kinder auch, Verantwortung zu übernehmen.

Stefanie Ruhfus, Therapeutin

Bei schönem Wetter findet die Therapie draußen statt. Es gibt auch einen Lerngarten. Tierfutter wird teilweise angebaut. Ruhfus: „Wir ernten mit den Kindern.“ Die Nähe der Natur ist eine Grundlage des Erfolgs, die Tiere agieren als Co-Therapeuten. Ruhfus: „Viele Kinder, die zu uns kommen, sind einfach therapiemüde durch die ständigen Übergriffe anstrengender Behandlung in meist steriler Atmosphäre.“ Im Therapiepark sind die Räume hell und freundlich, es gibt viel Spielzeug und Geräte. Auch Flipcharts. Dort formulieren die Kinder selbst ihre Ziele. Ein 14-jähriger Autist will seine Hunde-Phobie loswerden. In kleinen Schritten: Futter in den Napf geben bis Aus-der-Hand-fressen-lassen. Großer Erfolg: den Hund am Bauch streicheln. Noch größer: einen fremden Hund streicheln.

Kinder ab etwa zwei Jahre kommen in den Therapiepark, oft von weither. Auch jugendliche Erwachsene profitieren von dieser Behandlungsform, die die Krankenkassen allerdings nicht zahlen, abgesehen von der Physio- und Ergotherapie, für die die Einrichtung eine Kassenzulassung hat. Eine einstündige tiergestützte Therapieeinheit kostet 175 Euro. Ein Förderverein soll die Therapie auch für bedürftige Kinder möglich machen. Rufus: „Zu uns können alle kommen.“ „Auch Flüchtlingskinder?“. Da seufzt die Therapeutin: „Das wäre schön.“