Düsseldorf: Ausstellung zur Industriekultur Die letzten Zeugen der Düsseldorfer Industriekultur

Düsseldorf · Vom Maulbeerbaum zum Volkshaus: Die Wanderausstellung des FKI hat ihre erste Station im Bahnhof Gerresheim.

Ein kleiner Rest einer großen Industrie ist die Kraftwerkshalle des Röhrenwerks Piedboeuf, Oelser Straße 9 in Eller. Heute dient sie als Gewerbehalle.

Foto: Thomas Boller

Peter Henkel und Thomas Boller vom Förderkreis Industriepfad Düsseldorf (FKI) gingen auf Spurensuche nach Industriedenkmälern. Aus einer Liste von 120 Objekten, die sie mit den Heimat- und Bürgervereinen zusammenstellten, filterten sie die 47 interessantesten Gebäude heraus. Sie bilden nun eine Ausstellung im Bahnhof Gerresheim und ein Buch im Droste-Verlag. Historie und Gegenwart werden kurz und knapp präsentiert. Die Schau geht anschließend auf Wanderschaft. Flingern und Oberbilk sind die nächsten Stationen.

Auf Kunststoff-Folien passiert die Industriegeschichte Revue

Die Firma Habersang & Zinzen (Ronsdorfer Straße 143) wurde berühmt durch ihre Mehrspindel-Gelenkbohrmaschine. Heute liegt dort ein Gewerbepark.

Foto: Thomas Boller

Peter Henkel ist wissenschaftlicher Referent beim Land NRW und Lehrbeauftragter der Heinrich-Heine-Universität. Er kennt sich in der Stadt-, Landes- und Industriegeschichte bestens aus. Peter Stegt und Burkhard Lüking sind Gymnasiallehrer für Geschichte und Hanno Parmentier hat zahlreiche historische Veröffentlichungen getätigt. Thomas Boller schließlich, von Haus aus technischer Betriebswirt, ist stets mit seiner Kamera unterwegs. Das Ziel all dieser Ehrenamtlichen des FKI war es, „die gesamte Düsseldorfer Industriegeschichte von ihren Anfängen bis zu ihrer Hochzeit des Wirtschaftswunders“ abzubilden, wie Peter Henkel es nennt.

Das Wasserwerk Wittlaer am Wasserwerksweg 60 wurde als neoklassizistische Villa errichtet.

Foto: Thomas Boller

Dabei ging es ihnen nicht um allseits bekannte Bauten wie Stahlhof, Dreischeibenhaus oder Hauptbahnhof, sondern um die weniger bekannten Gebäude der Industrie-Kapitäne, die ihre Firmen überhaupt erst nach Düsseldorf brachten. So war Ferdinand Heye ein Bremer Kaufmann, die Firma Henkel startete in Aachen, Mannesmann kam aus Remscheid und Heinrich Ehrhardt brachte Rheinmetall aus Thüringen an den Rhein.

Ein Beispiel für Industriekultur ist das Volkshaus an der Flingerstraße 9.

Foto: Thomas Boller

Für die Tournee gibt es hölzerne Ständer, auf denen die Infos auf Kunststoff-Folien gedruckt sind und von jedermann aufgeklappt werden können. Dazu gibt es kurz gefasste Texte und Fotos. So wird etwa das ehemalige Strauss-Kaufhaus an der Flingerstraße 9 als „Volkshaus“ beschrieben. Es hatte dort Partei und Gewerkschaftsbüros, Konferenzräume, Bühnen, eine Gaststätte mit Herberge und eine Druckerei der linken Düsseldorfer Volkszeitung. Hier lag das Zentrum der Düsseldorfer Arbeiterbewegung und der SPD. Die Nazis machten daraus ein „Haus der deutschen Stände“.

Hans Müller-Schlösser präsentierte nach dem Zweiten Weltkrieg ein Theater. Heute logieren dort wechselnde Altstadt-Geschäfte.

Jeder vierte Bürger kaufte einst im Konsum seine Lebensmittel

Neben dem Volkshaus ist das Gebäude des Konsumvereins eines der wenigen baulichen Zeugnisse der Arbeiterbewegung. Arbeiter und Handwerker gründeten 1897 den Konsumverein. Die Gebäude an der Ronsdorfer Straße wurden 1909 errichtet, in denen Waren nicht nur umgeschlagen, sondern auch produziert wurden. Rund ein Viertel der Düsseldorfer Bevölkerung bezog über den Konsum seine Lebensmittel. Heute gibt es dort Ateliers und ein Kulturzentrum.

Die Siedlung Heimgarten als Sinnbild einer Gartenstadt

Als Peter Henkel seinem Kollegen Thomas Boll den Rat gab, sich in der Siedlung Heimgarten umzuschauen, kam Boll aus dem Staunen nicht heraus: „An der lärmenden Erkrather Straße öffnet sich plötzlich eine unbekannte Idylle“, sagt er. Und Peter Henkel erklärt: „Die Siedlung Heimgarten wurde nach dem Prinzip einer Gartenstadt um 1920 errichtet. Die Hofsiedlung besteht großenteils aus zweigeschossigen Häusern mit einem oder zwei Zimmern und Wohnküche. Hinter den Häusern befanden sich Nutzgärten zur Selbstversorgung der Familien.“

Ob der Ringlokschuppen in Wersten oder das denkmalgeschützte Bauhaus an der Kettwiger Straße, die Feuerwache, der Millionenhügel auf dem Nordfriedhof oder der alte Hafen, der Schlachthof oder die Maoam-Fabrik, alles wird faktenreich belegt und bebildert.

So erfährt der Besucher oder Leser, dass Derendorf eine Schaltstelle der Lebensmittelindustrie war. Peter Henkel spricht gar vom „Bauch von Düsseldorf“. Neben dem Schlachthof und mehreren Großmetzgereien lagen hier zwei Großbrauereien und der städtische Milchhof. Heute ist dort die Hochschule Düsseldorf angesiedelt. Und aus dem ehemaligen Schlachthof ist ein Erinnerungsort an die Deportation der Juden geworden.

Der Uhrenturm bestimmte den Takt der Montanindustrie

Der Uhrenturm an der Grafenberger Allee ist der letzte Rest der Maschinenfabrik Haniel & Lueg, die 1960 abgerissen wurde. Einst saßen dort die wichtigsten Maschinenbauer der Montanindustrie. Die Umgebung war noch ländlich und agrarisch geprägt, wobei die Arbeit und die Arbeitszeit von der Jahreszeit und der Länge des Tages abhingen. Erst mit dem künstlichen Licht wurde die Arbeit getaktet, so diktierte der Rhythmus der Maschinen den Arbeitsablauf. Die Arbeitszeit wurde der Uhr angepasst.

Manche Anlage, die einstmals lebenswichtig war, wie das Wasserwerk Wittlaer, ist heute zu nichts mehr nutze. Der neoklassizistische Gebäudekomplex am Wasserwerksweg mit Portikus, Maschinen- und Kesselhaus wirkt von außen wie eine hochherrschaftliche Villa. Nach der Stilllegung können die Gebäude lediglich als Event-Location genutzt werden. Betreiber sind und bleiben die Stadtwerke Duisburg, die allerdings im Wasserschutzgebiet mit ihrer Immobilie herzlich wenig anfangen können. Selbst ein ursprünglich geplantes Museum ist aus Wasserschutzgründen nicht möglich. So gammeln die drei betriebsfähigen Doppelzylinder-Verbunddampfmaschinen mitsamt dem Vakuum-Pumpbetrieb vor sich hin. Aber auch in der ehemaligen Glashütte tut sich mit dem geplanten Wohnviertel noch immer nichts.

Als der Maulbeerbaum am seidenen Faden hing

Den Abgesang bildet der letzte Maulbeerbaum in Kaiserswerth. Er gehörte einst zur Seidenweberei Preyers & Co und war ein Ableger der Krefelder Seidenfabrikanten. Die Firma beschäftigte 1809 angesichts einer Bevölkerung von 500 Menschen immerhin 149 Arbeiter. 1822 folgte der Konkurs. 1836 zog die Diakonissenanstalt Theodor Fliedners ins Fabrikgebäude am Kaiserswerther Markt ein. Der letzte Maulbeerbaum, aus dem die die Maulbeerspinner-Raupe den Rohstoff für die Seide gewonnen hat, muss mehrfach gestützt werden. Er soll vom letzten Seidenfabrikbesitzer gepflanzt worden sein und steht am Barbarossawall 71.

Info: Ausstellung im Event-Bahnhof Gerresheim, Heyestraße 194, bis 17. November, Mittwoch und Freitag 16-20, Samstag und Sonntag 14-18 Uhr. Buch „Spurensuche – Industriekultur Düsseldorf“, Droste-Verlag, 11.90 Euro