Ehrenamt Das sind die Gesichter der Düsseldorfer Willkommenskultur
Düsseldorf · Ute Dickel und Anselm Weydner sind im Vorstand von Düsseldorf-Aktiv. Neben der Ehrenamtsbörse widmet sich der Verein vor allem Neu-Düsseldorfern.
An einem grauen Novembermorgen kam Anselm Weydner ins Grübeln. Darüber, was ihn sechs Wochen später erwarten sollte. Mit dem Ruhestand assoziierte der Jurist vor allem eines: fehlende Struktur im Alltag, Verlust an Spannkraft und Energie. Und so suchte er nach einer Aufgabe, in der er seine berufliche Erfahrung einbringen konnte – ehrenamtlich versteht sich. Denn so wichtig dem 62-Jährigen das eigene „Anti-Aging“ durch eine Tätigkeit im Ruhestand auch war, sein Einsatz sollte schon einem gemeinnützigen Zweck dienen. Schließlich stolperte er über die Annonce des Vereins Düsseldorf-Aktiv, der sich dem Ehrenamt und der Willkommenkultur in Düsseldorf verschrieben hat. Ein Vorstandsmitglied wurde gesucht. Anselm Weydner wusste gleich, dass es passen wird. „Ohne ehrenamtliches Engagement wären viele Dinge, die uns häufig viel zu selbstverständlich erscheinen, völlig undenkbar“, ist er überzeugt. Und er wollte mit gutem Beispiel vorangehen.
2006 wurde der Verein Düsseldorf-Aktiv als eine Ehrenamtsbörse gegründet. „Damals war das für Düsseldorf einzigartig“, sagt Weydner. Dass viele Organisationen mittlerweile die Suche nach Ehrenamtlern selbst ausschreiben, ist für den Verein offenbar kein Nachteil: Bis heute ist er in Düsseldorf gut vernetzt und listet rund 230 aktive Stellen auf seiner Internetseite. Düsseldorf-Aktiv ist Ansprechpartner für Organisationen und Unternehmen, die ehrenamtliche Stellen zu vergeben haben und für Menschen, die eine Aufgabe suchen. „Die Suche kann auf Rubriken und Stadtteile eingegrenzt werden, das ist sehr praktisch“, sagt Anselm Weydner. So finden Schauspieler und Theatergruppen, Lesepaten und Grundschulen oder Trainer und Sportvereine zueinander.
Ute Dickel weiß, wie es ist, neu in einem Land zu sein
Ein Schwerpunkt des Vereins ist die Begleitung neuer Mitbürger aus dem In- und Ausland. Ute Dickel trat 2012 dem Verein bei, ist seit 2016 im Vorstand. Die Begrüßung und Betreuung Neu-Düsseldorfer ist ihr eine Herzensangelegenheit. „Ich habe während eines längeren Auslandsaufenthaltes am eigenen Leib erfahren, wie es ist, sich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden“, sagt sie. Zurück in Deutschland machte sich die Gymnasiallehrerin damals sogar in diese Richtung selbstständig – sie unterstützte Fachkräfte aus dem Ausland, die vorübergehend in Deutschland arbeiten, bei Behördengängen, der Wohnungssuche oder der Schulwahl. Als sie schließlich in den Ruhestand ging und nach dem Auszug ihrer drei erwachsenen Kinder nach Düsseldorf zog, suchte sie nach einem Ehrenamt, in dem sie ihre Expertise einbringen konnte. Fündig wurde sie bei Düsseldorf-Aktiv.
Jeden ersten Dienstag im Monat organisiert der Verein ein Willkommenstreffen im Stadtteilzentrum Bilk. Die Einladung richtet sich an alle Neu-Düsseldorfer, ganz gleich, ob sie in der Stadt eine neue Stelle anfangen, sich in der Uni eingeschrieben haben oder als Geflüchtete nach Düsseldorf kamen. „Es gibt mittlerweile natürlich viele Gruppen für Neubürger in Düsseldorf. Viele finden sich online zusammen. Aber wir sind einzigartig darin, ein persönliches Treffen zu organisieren, bei dem wir mit unserer Erfahrung als Ansprechpartner bereitstehen“, betont Anselm Weydner. Die Mitglieder verstehen sich deshalb auch als Lotsen, denn sie verweisen an die richtigen Stellen und die geeigneten Ansprechpartner.
Weil die Flyer des Vereins im städtischen Bürgerbüro, in Sprachinstituten und Universitäten ausliegen, freut sich der Verein über regen Zuspruch. „Aber man weiß vorher natürlich nie, wer kommt“, sagt Ute Dickel und lacht bei dem Gedanken an ein ganz besonderes Treffen vor einiger Zeit. „Da standen plötzlich acht italienische Zahnärzte vor der Tür.“
Bei der Verbesserung der Deutschkenntnisse mancher Neu-Düsseldorfer, so auch bei den Zahnärzten, kann der Verein auf Angebote aus den eigenen Reihen verweisen: Einmal in der Woche bietet Düsseldorf-Aktiv einen moderierten Gesprächskreis an. „Darin soll man locker ins Gespräch kommen, drauf losreden, Hemmungen ablegen, vielleicht Kontakte knüpfen. Niemanden interessiert die Grammatik“, sagt Ute Dickel.
Als die 69-Jährige 2016 in den Vorstand kam, erweiterte sie das Angebot des Vereins, um einen Beitrag zur Integration Geflüchteter in Düsseldorf zu leisten. Der Fokus liegt bis heute in der Begleitung junger Menschen auf dem Weg zur beruflichen Orientierung und Ausbildung. In Kooperation mit anderen Organisationen und der Stadt wurden verschiedene Workshops zur beruflichen Ausbildung, Infoveranstaltungen an der Uni, in der IHK und in Unternehmen durchgeführt.
Um den Kiez der neuen Stadt kennenzulernen, bietet der Verein Stadtteilführungen an. Wo schmeckt das Brot am besten, wo darf der Hund ohne Leine laufen und in welchem Café gibt es zum günstigen Kuchen auch noch Wlan-Zugang? Solche Fragen beantwortet auf dem Spaziergang durch den Stadtteil der Insider. Auch Ute Dickel und Anselm Weydner planen für das Frühjahr eine solche Führung, dann wollen sie Neu-Düsseldorfern die Nordstraße zeigen. „Ich bin Düsseldorf-Fan“, sagt Weydner. Und auch in diesem Fall möchte er als gutes Beispiel vorangehen.