Familienbegleitung Ein Ort für Mütter, die um ihr Kind trauern

Düsseldorf · Manuela Lommen bietet Rückbildungskurse für Mütter von Sternenkindern an. Sie bereitet auch auf die stille Geburt vor.

Manuela Lommen bietet Rückbildungskurse für Mütter von Sternenkindern an.

Foto: Ines Arnold

Manuela Lommen hat fünf Kinder. Jedes liebt sie, jedes hat einen festen Platz in ihrem Herzen. Aber nur drei kann sie in den Arm nehmen und ihnen das sagen. Nach drei unkomplizierten Schwangerschaften und Geburten verlor sie 2011 im vierten Monat ihr viertes Kind. Ihrem Gefühl nach ein Mädchen. Fee. Zwei Jahre später wurde sie erneut schwanger. Von Beginn an traten Komplikationen auf, am Ende des fünften Schwangerschaftsmonats setzten Blutungen ein, erneut musste Manuela Lommen von einem Kind Abschied nehmen. Ihrem kleinen Jungen, Finn. „Nie in meinem Leben hat mich etwas so ohnmächtig und hilflos gemacht wie die Erfahrung, meine geliebten Kinder viel zu früh gehen lassen zu müssen. Nie habe ich mich verwundeter gefühlt, so voller Sehnsucht und Schmerz“, sagt sie. Gleichzeitig wuchs in ihr ein Gefühl der Dankbarkeit. Es rückte an die Stelle der Leere, sagt sie. „Ich war dankbar, dass ich die beiden wenigstens ein kurzes Stück begleiten durfte.“

Ihren reflektierten Umgang mit dem Verlust verdankt Manuela Lommen auch ihrem Beruf als Doula. Als emotionale Geburtsbegleiterin und Kursleiterin für Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse war sie immer wieder mit dem Verlust eines Kindes konfrontiert worden. Als sie selbst diese Erfahrung machte, stellte sie fest, dass Angehörige und Bekannte, teilweise aber auch medizinisches Personal mit den Themen Fehlgeburt, Todgeburt oder plötzlicher Kindstod oftmals überfordert sind. „Das führt dazu, dass sich betroffene Eltern allein gelassen fühlen. Und das erschwert das Verarbeiten und Trauern“, sagt sie.

Heute gibt Manuela Lommen den Frauen Raum dafür. In den speziell auf Mütter von Sternenkindern zugeschnittenen Rückbildungskursen begleitet sie die Betroffenen beim Trauern und Verarbeiten und bietet Zeit für den Austausch mit anderen Müttern. „Ein regulärer Rückbildungskurs, in dem Mütter ihre Kinder mitbringen, über Schlaf- und Stillprobleme sprechen, ist einfach nicht der richtige Platz für eine Mutter, die um ihr Kind trauert. Rückbildung und Körperwahrnehmung spielen bei den Angeboten eine zentrale Rolle, aber die Bedürfnisse der Mütter unterscheiden sich stark“, sagt Lommen.

Mittlerweile bietet die 43-Jährige  ihre Kurse in der Praxis Körperhafen an der Jacobistraße an. Auf dem Boden des Kursraumes steht ein Tablett mit sechs beschrifteten Gläsern, in denen Teelichter brennen. Jede Kerze trägt den Namen eines Kindes. Lola, Luisa, Kaya oder Emilian. Sie alle werden von ihren Eltern schmerzlich vermisst. Sie starben im Mutterleib, bei der Geburt, kurze oder längere Zeit danach. „Zu Beginn einer jeden Stunde zünden die Mütter ihre persönliche Kerze mit dem Namen ihres Kindes an. Die Kinder gehören schließlich dazu. Die Frauen tauschen sich aus, es werden stolz Fotos gezeigt, Tränen fließen, es wird auch gelacht“, sagt sie. Nach einer Schwangerschaft, egal wie kurz sie auch war, den Beckenboden zu trainieren, sei nicht nur notwendig, um langfristige Gesundheitsbeschwerden zu vermeiden. „Oft tut es einfach gut, sich selbst wieder zu spüren und zumindest für einen Moment nicht grübeln zu müssen.“

Jede Frau bringt ihre eigene Geschichte mit. „Es spielt keine Rolle, wie lange die Geburt zurückliegt, wie lange eine Frau schwanger war, wie es zur frühzeitigen Geburt kam, wie viel Zeit sie mit ihrem Baby hatte. Es wird nicht verglichen, es werden keine Unterschiede gemacht, wer mehr Recht auf Trauer hat. Es wird nicht verurteilt. Alle Mütter im Kurs kennen den Schmerz, ein Kind zu verlieren, und respektieren, dass jeder individuell seinen Weg findet, den Verlust zu verarbeiten.“

Stille Geburt: Wenn das Kind keinen Laut von sich gibt

Manuela Lommen bereitet Mütter auch auf die stille Geburt vor. Wenn feststeht, dass das Baby die Schwangerschaft nicht vollenden oder nach der Geburt sterben wird, der Kreißsaal still bleibt. „Die meisten wissen nicht: Wie wird die Geburt sein, wie wird mein Kind aussehen, wie lange darf ich mit ihm zusammensein, wie kann ich Abschied nehmen?“, sagt sie. So stärkt Lommen die Frauen darin, die natürliche Geburt zu durchleben, denn auch das helfe beim Abschiednehmen. „Bei der natürlichen Geburt sind die Mütter durchströmt von Glückshormonen. Sie sind stolz und glücklich, ihr Kind in die Arme gelegt zu bekommen und es kennenlernen zu dürfen.“ Andere Frauen wiederum haben Angst davor, das Kind zu berühren. „Auch das ist okay. Es hilft aber, sich schon im Vorhinein mit der Vorstellung zu beschäftigen.“ Die ersten und gleichzeitig einzigen Fotos werden gemacht – von den Eltern selbst oder von Sternenkinder-Fotografen. „Wenn Eltern vor der Geburt die Möglichkeiten kennen, können diese Dinge organisiert werden.“

Der schwerste Part steht den Eltern dann aber noch bevor: Das Kind aus den Armen zu geben. Viele Krankenhäuser und Hebammen seien mittlerweile gut darauf vorbereitet. „Es gibt die Möglichkeit, mit dem Bestatter das Kind ins Beerdigungsinstitut zu begleiten. Und manche Bestatter erfüllen den Eltern auch den Wunsch, das Baby zu Hause über die Türschwelle zu tragen. „Darauf haben sie sich gefreut, seit sie den positiven Schwangerschaftstest gesehen haben. Die Wohnung allein zu betreten, ist für viele Eltern unerträglich.“

Laut Statistischem Bundesamt gibt es jährlich rund 100 000 Fehlgeburten, 3000 Totgeburten und 2500 Kinder, die im ersten Lebensjahr sterben. Dennoch fühlen sich Eltern oftmals mit ihrem Schmerz allein. „Ich freue mich immer wieder zu hören, dass viele sich über die Kurstreffen hinaus weiter treffen und Freundschaften entstehen“, sagt sie. Denn das Reden, sich nicht allein zu fühlen, das sei heilsam. Das weiß Manuela Lommen aus eigener Erfahrung.

Kurse und Anmeldung zum kostenlosen Trost- und Trauercafé unter koerperhafen.de.