50.000 Stimmen für Petition benötigt Kinderärzte kämpfen für Verbot von Kinderwerbung

Düsseldorf · Düsseldorfs bekannte Kinderärzte vom Podcast „Hand Fuß Mund“ machen sich mit einer Bundestagspetition für ein Werbeverbot von ungesunden Lebensmitteln stark. Worum es den Ärzten geht und warum ihnen die Zeit davon läuft.

Nibras Naami und Florian Babor.

Nibras Naami und Florian Babor.

Foto: Hanna Witte

Florian Babor und Nibras Naami sind für ihr Engagement für Kinder weit über Düsseldorf hinaus bekannt. In ihrem Podcast „Hand Fuß Mund“ erklären die Kinderärzte Eltern verständlich und humorvoll alles Wichtige zu Kindergesundheit, bundesweit gibt es keinen erfolgreicheren Podcast, auf Instagram haben sie rund 165 000 Follower. Auch ihr Buch „Die fünf Säulen einer gesunden und glücklichen Kindheit“ verkaufte sich auf Anhieb gut. Jetzt wollen sie ein Zeichen setzen, das weit über Düsseldorf hinaus etwas für die Gesundheit und das Wohl der Kinder bewirken sollen.

Die Kinderärzte (Babor arbeitet an der Düsseldorfer Uniklinik, Naami am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke) haben eine Bundestagspetition eingereicht mit dem Titel „Kindergesundheit braucht Eure Unterstützung“. Damit kämpfen sie für ein Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung, die meist hochverarbeitete Lebensmittel anpreist, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Werbung für ungesunde Lebensmittel beeinflusse das Verhalten und die Ernährungsgewohnheiten der Kinder „auf äußerst bedenkliche Weise“, sagen die beiden. Sie berufen sich auf Studien, die zeigen, dass Werbung einen starken Einfluss auf das Verhalten von Kindern hat. „Insbesondere in Bezug auf Ernährung kann Werbung für ungesunde Lebensmittel dazu führen, dass Kinder vermehrt zu diesen Produkten greifen und sich ungesunde Essgewohnheiten aneignen. Dies habe Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder und lege den Grundstein für gesundheitliche Probleme.

Die Pläne von Bundesernährungsminister Cem Özdemir in der Werbung geht beiden nicht weit genug. So sehen diese nur noch eine Beschränkung auf werktags von 17 bis 22 Uhr, samstags von 8 bis 11 Uhr sowie sonntags von 8 bis 22 Uhr vor. Damit wären große Zeitabschnitte, in denen Kinder vor dem Fernseher oder an einem Pad sitzen, nicht abgedeckt. Als Messlatte für das Zuviel an Zucker oder Fett sollen Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation dienen.

„Derartige Einschränkungen des Werbeverbots setzen eindeutig die Interessen der Industrie und Werbebranche über das Wohl und die Gesundheit unserer Kinder! Wir fordern das Gegenteil: Kinderschutz ist ausnahmslos über die wirtschaftlichen Belange der Industrie und des Werbesektors zu stellen“, sagten die Kinderärzte. Ihr Ziel: dass das Verbot von 6 bis 23 Uhr gilt.

Die Kinderexperten verweisen darauf, dass 15 Prozent der drei- bis 17-Jährigen in Deutschland (ca. zwei Millionen Kinder und Jugendliche) übergewichtig sind, knapp sechs Prozent sogar adipös. Bei etwa 70 bis 80 Prozent der Jugendlichen mit Übergewicht oder starkem Übergewicht bleibe dieses Problem bis ins Erwachsenenalter bestehen. „Übergewichtige Kinder und Jugendliche haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen im Vergleich zu Normalgewichtigen“, mahnen sie. Zusätzlich leiden sie oft unter schwerwiegenden psychosozialen Problemen und erleben erhebliche Einbußen ihrer Lebensqualität. Kinder, die Medien nutzen, sehen im Durchschnitt täglich 15 Werbespots und Einblendungen im Fernsehen und Internet, die für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt werben. Etwa 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder im Internet und Fernsehen wahrnehmen, bewerbe Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. „So wie wir fordert auch ein Wissenschaftsbündnis, dass an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel unterbunden wird.“

Abgeschwächter
Kompromissvorschlag

Die Pläne von Özdemir sahen die zeitliche Einschränkung von 6 bis 23 Uhr vor und das in Fernsehen, Radio und im Internet. SPD, FDP und Grüne hatten die Werbebeschränkungen im Koalitionsvertrag zwar vereinbart, unterstützen aber nicht alle Özdemirs Pläne, vor allem die FDP. Das Ministerium hatte daher einen abgeschwächten Kompromissvorschlag vorgelegt, der nicht überall Anklang findet. Auch von der Lebensmittellobby hatte Özdemir Gegenwind bekommen. Im neuen Kompromissvorschlag wurden die Zeiten gekürzt und der Hörfunk rausgenommen.

Die Kinderärzte hoffen auf die fehlenden Unterstützer. „Damit unser Anliegen zum Werbeverbot ungesunder Lebensmittel für Kinder im Bundestags-Petitionsausschuss diskutiert wird, brauchen wir eure Unterschriften auf der Bundestagswebsite“, sagen die beiden.

Die Zeit läuft ihnen davon: Die Frist läuft am Donnerstag, 23. November, ab. Bis dahin brauchen sie 50 000 Unterschriften.