Tausende Bücher werden überprüft Unibibliothek Düsseldorf ergreift Maßnahmen gegen Arsenbelastung

Düsseldorf · Der als krebserregend geltende Stoff wurde im 19. Jahrhundert beim Druck verwendet. Nun müssen die Bestände untersucht werden.

In einer eigenen Restaurierungswerkstatt werden die Bücher der Uni-Bibliothek getestet.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) an der Heinrich-Heine-Universität hat sich zu einem drastischen Schritt entschieden: Die ULB, die aufgrund ihrer langen Geschichte über einen historischen Bücherbestand verfügt, schließt in Kürze für mehrere Tage die Zentralbibliothek, die Fachbibliotheken PhilBib und PhilBib 2 sowie die Verbundbibliothek Naturwissenschaften. Vom 18. bis 21. März sollen dann in einem großen Kraftakt alle potenziell mit Arsen belasteten Bücher aus den frei zugänglichen Bereichen entfernt werden. „Damit dies geschützt und zügig verlaufen kann“, sei die Schließung unerlässlich, so die ULB.

Hintergrund: Vor Kurzem wurde bekannt, dass Arsen, das als giftig und krebserregend gilt, im 19. Jahrhundert bei der Herstellung von Büchern verwendet wurde und in grünen Farbstoffen vorkommen kann. So wurde etwa das „Schweinfurter Grün“ aus einer Kupfer-Arsen-Verbindung und Essigsäure hergestellt. Als grundsätzlich verdächtig gelten somit Bücher mit Einbänden, Buchschnitten, Vorsatzblättern oder Titelschildern in dieser Farbe.

Nach Angaben der ULB sind in den frei zugänglichen Bereichen der ULB rund 15 000 Bände mit Erscheinungsjahr vor 1900 aufgestellt – weniger als ein Prozent des gesamten historischen Bestandes. Dieser Bestand war und ist grundsätzlich nicht ausleihbar. „Wir werden die 15 000 Bände des 19. Jahrhunderts im Freihandbereich schnellstmöglich sichten, potenziell belastete Bände entfernen und diese für die nachfolgende Testung zunächst einlagern“, sagt ULB-Direktorin Kathrin Kessen. Sie rechnet „mit einer niedrigen vierstelligen Zahl“ belasteter Bücher.

Die ULB verfügt über eine Restaurierungswerkstatt und sei damit erfahren darin, derartige Testungen durchzuführen. Ob und wie belastete Bestände unter besonderen Schutzvorkehrungen zukünftig zur Nutzung freigegeben werden können: Das ist eine Frage, die die ULB im engen Austausch mit der Kommission Bestandserhaltung des Deutschen Bibliotheksverbands klären will.

Arsen kann durch den Staub auf den Büchern eingeatmet werden

Solange die Bücher im Regal stehen, stellen sie nach Angaben der ULB keine Gesundheitsgefahr dar. Erst seit Kurzem liegen zudem überhaupt erste wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung vor: Demnach könnten Menschen gefährdet sein, wenn sie im 19. Jahrhundert erschienene Bände mit grünen Bestandteilen anfassen und zum Umblättern der Seiten die Finger mit der Zunge anfeuchten, wenn mit Arsen belasteter Staub auf den Bänden eingeatmet wird oder durch das Anfassen der Bände Arsen in die Augen gerät. „Die Separierung ist im Sinne des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten und Studierenden eine reine – allerdings erforderliche – Vorsichtsmaßnahme“, so die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.

Während der Schließungszeit können Studierende Lernplätze in den Fachbibliotheken Medizin und Rechtswissenschaft sowie im Selbstlernzentrum nutzen. „Darüber hinausgehender Service wird in dieser Zeit nicht angeboten“, teilt die ULB mit.

Auch an vielen anderen Universitätsbibliotheken im Land wurden in den vergangenen Tagen bereits Zehntausende Bücher und Zeitschriften aussortiert oder zumindest für die Ausleihe gesperrt. Allein an der Universität Duisburg-Essen wurden 18 000 Bücher und Zeitschriftenbände gesperrt. Wie viele Bände tatsächlich betroffen sind, ist noch unklar, an der Bibliothek geht man von einigen Prozent aus. Die Universitätsbibliothek Siegen ist im Besitz von ca. 12 000 Bänden aus dem 19. Jahrhundert und früher und hat diese für die Benutzung gesperrt; die Bücher sollen an ihrem Standort im Regal bleiben und nach Möglichkeit auf Arsenbelastung überprüft werden. Die Bibliothek bittet um Verständnis, „dass es Zeit braucht, Bücher in diesem Umfang aus dem Bestand zu entfernen, einzulagern und zu überprüfen.“

Die Uni Bielefeld sperrte wiederum 60 000 Bücher. Sie sollen nun aus dem Bestand entfernt, zunächst eingelagert und zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden.

Eine große Herausforderung für die Bibliotheken: Für den Umgang mit möglicherweise giftiger Leselektüre gibt es bislang keine gesetzliche Regelung oder Handlungsempfehlung. Im Dezember veröffentlichte der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) aber zumindest umfangreiche Informationen und Tipps zum Umgang mit arsenhaltigen Pigmenten in historischen Bibliotheksbeständen. Als Untersuchungsmöglichkeiten nennt der dbv etwa die Röntgenfluoreszenzanalyse, den nasschemischen Nachweis mit Mikroproben oder die mikroskopische Untersuchung. Und der Verband weist darauf hin: „Jede Einrichtung ist gehalten, eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung auf Basis der individuell vorhandenen Bestände und deren Nutzungsszenarien zu erarbeiten.“ Viele Uni-Bibliotheken suchen untereinander aber den Austausch, um zu klären, wie sie mit der hochkomplexen, herausfordernden Situation umgehen sollen.