Ausbildung in der Krise Die Zahl der Bewerber für einen Ausbildungsplatz ist stark gesunken
Düsseldorf · Die Sorgen bei Kammern und Arbeitsagentur sind groß. Sie betonen die aktuell guten Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
Dem Ausbildungsmarkt der Stadt fehlt etwas ganz Entscheidendes – Bewerber in ausreichender Zahl. Schon die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. Mit aktuell 2821 bei der Arbeitsagentur für eine Stelle registrierten jungen Menschen ist im Vergleich zum gleichen Zeitraum vor zwei Jahren ein Minus von 16 Prozent zu verzeichnen. Selbst bei noch deutlich mehr Einschränkungen aufgrund der Coronapandemie vor einem Jahr lag die Zahl da leicht höher. „Die Pandemie hat den Ausbildungsmarkt stärker ausgebremst, als wir das am Anfang gedacht haben“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf (IHK). Birgitta Kubsch-von Harten, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Düsseldorf, sagt es ganz ähnlich: „Ich habe das unterschätzt.“
Doch auch über die Pandemie hinaus zeigt sich langfristig ein Negativtrend. Berghausen sieht für den IHK-Bereich über die vergangenen zehn Jahre hinweg einen Rückgang bei Verträgen für eine duale Ausbildung um 20 Prozent. Damit steht Düsseldorf schlechter da als das Land NRW im Durchschnitt. „Düsseldorf ist offenbar besonders unattraktiv. Lange Zeit haben wir von der Unterversorgung in anderen Kommunen profitiert. Das ist offensichtlich vorbei.“
Das Problem: Eigentlich sind deutliche Zuwächse nötig, um die Effekte der älter werdenden Gesellschaft mit geburtsstarken Jahrgängen im Renteneintrittsalter auszugleichen. „Es wären eigentlich zweistellige Zuwachsraten nötig“, sagt Berghausen.
Als wichtigen Grund für die sinkenden Bewerberzahlen nennen sowohl Berghausen als auch Kubsch-von Harten über zwei Jahre hinweg fehlende Angebote zur Berufsorientierung in der Schule. Zwar gebe es die mittlerweile wieder. „Aber vieles lässt sich nicht so schnell aufholen“, sagt Kubsch-von Harten.
Was sich offenbar bei vielen Schülern festgesetzt hat, ist eine große Unsicherheit. „Da nehmen viele lieber eine Auszeit oder bleiben im gewohnten schulischen System und entscheiden sich für das Abitur“, sagt Kubsch-von Harten. Auch bei den Abiturienten sieht Berghausen viele, die besser für eine duale Ausbildung geeignet wären und später auch Führungsaufgaben übernehmen könnten. Allerdings sei dafür oft die Hemmschwelle schon deshalb höher, weil man sich etwa richtig bewerben müsse.
Auch falsche Vorstellungen von einer Ausbildung spuken offenbar in einigen Köpfen von Eltern und Schulabgängern herum. Kubsch-von Harten betont, dass die Verdienstmöglichkeiten und auch Aufstiegschancen sehr gut seien. Für 80 Prozent der Stellen reiche zudem ein Hauptschul- oder Realabschluss.
Und, besonders fatal, bei manchem habe sich im Zuge der konjunkturellen Schwierigkeiten der Glaube entwickelt, dass Azubis gar nicht so dringend benötigt würden. „Die Unternehmen brauchen die Leute aber auf jeden Fall“, sagt Berghausen. Der Fachkräftemangel sei neben den Energiekosten Konjunkturrisiko Nummer eins.
Auch die Arbeitsmarkt-Statistik zeigt, dass die Chancen für eine Ausbildungsstelle relativ gut sind. Die Zahl der angebotenen und bei der Arbeitsagentur gemeldeten Stellen übersteigt die Zahl der Interessenten bei weitem.