Unternehmen aus Düsseldorf Auf den Wurm gekommen

Düsseldorf · Das Düsseldorfer Start-up „Corbiota“ züchtet Regenwürmer. Diese sollen die Immunsysteme von Küken und Schweinen verbessern.

 Das Unternehmen Corbiota in Friedrichstadt züchtet Regenwürmer eigens für Tiernahrung. Geschäftsführerin ist Julia Rohde.

Das Unternehmen Corbiota in Friedrichstadt züchtet Regenwürmer eigens für Tiernahrung. Geschäftsführerin ist Julia Rohde.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Früher wusste es jedes Kind. „Dreck reinigt den Magen“, hieß es. Das bedeutet, dass es nicht schlimm ist, wenn man mal etwas Sand oder Erde verschluckt. Im Gegenteil, denn ein bisschen Dreck ist gut für unseren Körper, weil das Immunsystem trainiert wird und in Übung bleibt. Genau das ist das Prinzip, dass das Start-up „Corbiota“ anwendet. Allerdings ist nicht der gesunde Mensch, sondern das gesunde Tier in Mastbetrieben das Ziel. „Die industrielle Tierhaltung, bspw. bei Hühnern, läuft weitgehend steril ab. Das Brütei wird sterilisiert in einen sterilisierten Inkubator gelegt und bebrütet. Das Küken kommt dann in einen sterilisierten Stall. Da gibt es keine Chance, dass sich ein Immunsystem aufbaut“, erläutert Corbiota-Geschäftsführerin Julia Rohde. „Aber was machen Tiere in der Natur? Vögel picken nach Käfern und Würmern. Dadurch nehmen sie auch Mikrobiome auf und der Körper lernt, damit umzugehen.“ Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Organismen, daunter auch Bakterien und Viren, die Lebewesen besiedeln, bezeichnet. „Mikrobiome spielen eine Riesenrolle für eine gesunde Lebensführung. Doch wenn der Körper nicht gelernt hat mit Bakterien und Viren umzugehen, was in der Masttierhaltung häufig der Fall ist, ist die Infektionsgefahr besonders hoch“, so Rohde.

„Deshalb wird viel mit der Zugabe von Antibiotika gearbeitet, was zu einer Antibiotika-Resistenz der Tiere führt und, weil Menschen Fleisch essen auch zu einer Antibiotika-Resitenz von Menschen führen kann.“ Die Lösung des Problems fand Arnulf Tröscher, Tiernahrungsspezialist bei BASF. Er fand heraus, das beispielsweise Küken nur ein bis zwei „Impfungen“ mit Mikrobiom benötigen, um den Rest des meist kurzen Lebens ein funtionierendes Immunsystem, dass keine starken Antibiotika-Gaben benötigt, zu besitzen. Und weil Hühner sich auch von Würmern ernähren war Dendrobena Veneta, der Riesen-Rotwurm, im Volksmund Regenwurm genannt, der Mikrobiomen-Überträger der Wahl. Der Zucht von Regenwürmern hat sich Corbiota mit Sitz in Düsseldorf verschrieben. „Unsere Produktion und Labor steht in Castrop-Rauxel“, so Rohde. „Weil wir für die Nahrungskette produzieren, müssen wir die gleichen Vorgaben erfüllen, wie Hersteller von Babynahrung.“

Würmer werden in
die weite Welt exportiert

Aktuell werden 40 Ställe in Deutschland mit Corbiota-Regenwürmern beliefert, in den USA sind es fast 4000. „Wir haben direkt mit unserer Gründung im Jahr 2022 global gedacht und sofort die USA, Asien und Lateinamerika in den Blick genommen. Die USA sind ein Riesenmarkt“, verrät die Geschäftsführerin. „Wir sind im Ausland erfolgreicher als in Deutschland. Hätten wir uns nur auf Deutschland beschränkt, würde es uns schon nicht mehr geben.“ In Ungarn und Italien arbeiten die Regenwurmzüchter mit großen Distributoren zusammen, in Frankreich haben sie eine Landwirtschaftschallenge gewonnen und sind in einem staatlichen Förderprogramm vertreten, expandieren gerade nach Brasilien und China hat extremes Interesse an deutschen Regenwürmern für die Schweinezucht. Dabei ist die „Initialimpfung“ zum Lebensbeginn vergleichsweise preiswert. „Für Hühner kostet es durchschnittlich fünf Cent, für Schweine zwei Euro“, verrät Rohde. Diese Investition dürfte die weiteren Kosten senken, denn im Normalfall sind keine weiteren Antibiotika-Gaben mehr notwendig. „Und die Qualität des Fleisches wird besser und das Gewicht des Tieres nimmt zu“, so Rohde.

In Castrop-Rauxel liegt die Produktionsmenge bei zehn Tonnen, die der im Bau befindlichen Anlage in den USA bei 100 Tonnen. Dabei wiegt ein Wurm nur 0,3 bis 0,8 Gramm. „Die Anlage in den USA wird inklusive Planungskosten 15 bis 20 Millionen Dollar kosten. Das wir alles vom Staat gefördert“, sagt Rohde. „In den USA ist das Thema ‚Food-Security‘ beim Verteidigungsministerium angesiedelt. Auch wegen des Risenetats ist der Zugang zu staatlichen Mitteln leichter als in Deutschland.“

Die Führungsriege von Corbiota, neben Rohde sind der ehemalige Leiter des kommunalen Sportamtes, Pascal Heithorn, und der Hamburger Thorsten Kühn, wurden wie eine „Pop-Band“ gecastet. Über soziale Netzwerke hatte sich die BASF, die noch 20 Prozent der Firmenanteile hält, über die mögliche Geschäftsführung informiert und war so auf Rohde gekommen. „Ich habe in der Medizintechnik und im Pharmabereich gearbeitet. Als man mir das erste Mal das Konzept vorgestellt hat, habe ich zuerst gedacht ‚nee‘“, erinnert sich Rode. „Aber als ich herausgefunden habe, dass der Fleischkonsum weltweit, insbesondere bei Geflügel, steigt und ich ja wusste, dass Tiergesundheit auch eng mit der gesundheit der Menschen verknüpft ist, habe ich es mir ein zweites Mal angehört.“ Nach ihren Informationen seien gut 30 Prozent der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen bereits antibiotikaresitent, weil in den meisten Tiernahrungen Antibiotika direkt beigemischt sind und die Bauern es einatmeten. „Eigentlich ist der Einsatz von Antibiotika verboten, aber es gibt jede Menge Ausnahmen“, ärgert sich Rohde. Sie meint, dass die Ausnahmen nicht mehr gemacht werden müssten, wenn „ihre“ Regenwürmer vermehrt für mehr Tiergesundheit sorgen würden.