Auf dem Weg zur Klimaneutralität Düsseldorf prüft mögliche Windkraft-Standorte im Stadtgebiet

Interview | Düsseldorf · Der Umweltamtsleiter erklärt, warum Klimaschutz Spaß machen kann, und lobt die Zwillingsstadt Toulouse.

Seit Juli 2023 ist Stefan Ferber zurück im Düsseldorfer Umweltamt. Zwischenzeitlich hatte er die Leitung des Hauptamtes der Stadt übernommen

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Stefan Ferber ist als Leiter des Umweltamtes gleichzeitig ein Vorgänger und ein Nachfolger. Bereits von 2015 bis 2017 stand er an der Spitze des städtischen Bereichs. Dann wechselte er ins Hauptamt und Thomas Loosen übernahm seinen Posten. Mittlerweile ist Loosen im Ruhestand und Ferber ins Umweltamt zurückgekehrt. Schon als Schüler habe er sich in einer Umweltgruppe engagiert, erklärt der Düsseldorfer. Wir haben mit ihm über sein erstes Jahr zurück im alten Amt gesprochen.

Herr Ferber, was hat sich im Vergleich zu Ihrer ersten Amtszeit verändert?

Stefan Ferber: Zum einen ist bereits unter Thomas Loosen ein neuer Bereich zum Umweltamt hinzugekommen. Unser breites Aufgabenspektrum hat sich durch das Institut für Verbraucherschutz und Veterinärwesen noch einmal erweitert. Zu der Einrichtung gehört etwa auch die Lebensmittelüberwachung – insgesamt also ein Bereich, der sehr wichtig ist für die Stadt. Zum anderen hat der Klimaschutz heute noch einmal einen ganz anderen Stellenwert. In Düsseldorf haben wir das Thema zwar immer schon sehr hochgehalten und hatten auch früh Konzepte dafür. Aber mittlerweile ist da zusätzlicher Drive reingekommen.

Inwiefern?

Ferber: Durch den Ratsbeschluss aus dem Jahr 2019 hat sich die Stadt sehr ambitionierte Ziele gesetzt und durch einen weiteren Ratsbeschluss im Jahr 2021 stehen jährlich 60 Millionen Euro für den Klimaschutz zur Verfügung. Die Rahmenbedingungen sind dadurch hervorragend, die Erwartungen aber natürlich auch hoch. Wenn wir in der Stadtverwaltung ein vernünftiges Projekt haben, mit dem wir CO2 minimieren können, dann scheitert es nicht am Geld. Das unterscheidet Düsseldorf von vielen anderen Kommunen.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die bedeutendsten Projekte für den Klimaschutz in der Stadt?

Ferber: Die Solaroffensive ist sicher ein wichtiges Thema. Dabei geht es darum, aus erneuerbaren Energien die Stromversorgung für unsere städtischen Gebäude zu gewinnen. Durch die vielen Dachflächen haben wir ein riesiges Potenzial. Aktuell sind auf den Liegenschaften der Stadt bereits Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamt-Anschlussleistung von rund 2600 Kilowattpeak installiert. Generell können wir bei städtischen Gebäuden sofort etwas tun. Da gibt es beispielsweise auch das Projekt, energetisch schlechte Standorte zu sanieren. Darüber hinaus haben wir sehr viele und vielfältige Ansätze, bei denen wir versuchen, in Stadtgesellschaft und Wirtschaft hineinzuwirken. Zu den bekannten gehört sicher unser Förderprogramm „Klimafreundliches Wohnen und Arbeiten“ für Düsseldorfer.

Zuletzt ist die Zahl der Autos in der Stadt stark gestiegen. Wie können Bürger noch mehr für den Umweltschutz sensibilisiert werden?

Ferber: Ich finde, wir müssen weg von diesem Gedanken, dass Klimaschutz Zwangsvorgaben oder Einengung bedeutet, hin zu einem positiveren Umgang. Für mich ganz persönlich ist Klimaschutz eine Steigerung der Lebensqualität. Ich finde es fantastisch, dieses Privileg zu haben, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können. Das mache ich in allererster Linie, weil es mir unendlich viel Spaß macht und mich fit hält. Wir haben zum Beispiel ein Klima-Sparbuch herausgegeben. Darin kann man an ganz vielen kleinen Dingen sehen, dass Klimaschutz echt Spaß machen kann. Ein ganz wunderbares Projekt ist da zum Beispiel auch das Stadtradeln.

Wenn es um erneuerbare Energien geht, kommt immer Mal wieder die Frage auf, ob in Düsseldorf Windräder entstehen könnten. Halten Sie das für möglich?

Ferber: Man muss klar sagen: Das große Potenzial in der Stadt, durch erneuerbare Energien Strom zu erzeugen, ist nicht die Windenergie, sondern die Photovoltaik. Große Windenergieanlagen sind eigentlich eher eine Sache des ländlichen Raums. Ich finde es aber trotzdem wichtig, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir prüfen gerade die Potenziale. In dem Zusammenhang wird zum Beispiel auch geguckt, ob das Gelände am Klärwerk Süd ein möglicher Standort sein könnte. Da sind allerdings noch viele Schritte zu erledigen. In der nächsten Sitzung des Umweltausschusses haben wir vor, über die Möglichkeiten des Windenergieausbaus in Düsseldorf zu berichten.

Längst geht es nicht mehr nur um den Klimaschutz, sondern auch um Anpassungen an die Folgen des Klimawandels. Wie herausfordernd ist das?

Ferber: Düsseldorf ist in dem Bereich wirklich ein Vorreiter. Kommunen sind ganz aktuell jetzt erst dazu verpflichtet, Klimaanpassungskonzepte aufzusetzen. Wir haben das schon 2017 gemacht. Das hat ein Umdenken in vielen Bereichen bedeutet. Ein Ergebnis des Konzeptes ist zum Beispiel, dass wir bei jedem Bebauungsplanverfahren die Klimaanpassung mitdenken. Enthalten ist in dem Konzept ein ganzes Bündel an weiteren Maßnahmen, die etwa auch die Renaturierung von Bächen in den Blick nehmen. Ein Beispiel für etwas, was überall in der Stadt sichtbar ist und zur Klimaanpassung gehört, sind die Trinkbrunnen. Aktuell haben wir 21 im Stadtgebiet installiert, das mittelfristige Ausbauziel liegt bei 60 Trinkbrunnen.

Haben Sie das Gefühl, dass das Thema Klimaanpassung bei Bauvorhaben jetzt ernster genommen wird?

Ferber: Ja. Wir haben tatsächlich auch schon Planungen geändert. Es gibt zum Beispiel Standardvorgaben zur Dachbegrünung in Bebauungsplänen. In Kooperation mit der Stadtplanung ist das ein wichtiger Punkt, um auch den Klima-Aspekt hochzuhalten.

Gibt es mit Blick auf andere Städte Konzepte, die Sie besonders beeindrucken und die Sie gerne auch hier umgesetzt sähen?

Ferber: Ein tolles Projekt ist die Renaturierung der Îles du Ramier in der Garonne. Das war eine komplett versiegelte Insel in Toulouse. Durch einen sehr großen Kraftakt und unterstützt mit Fördermitteln aus der EU wird diese entsiegelt. Der Wärmeinseleffekt wurde dadurch um drei Grad auf einer Fläche von 30 Hektar reduziert. Das ist insofern auch interessant, weil Toulouse Düsseldorfs Klima-Zwilling ist: Die klimatischen Bedingungen, die es in der Stadt gibt, werden wir Ende dieses Jahrhunderts auch in Düsseldorf haben.

Wäre also ein vergleichbares Projekt bei uns denkbar?

Ferber: Aus meiner Sicht schon. Bei kleineren Flächen gibt es das bei uns bereits, aber eine größere wäre natürlich toll. Wir müssen immer wieder die Augen offen halten und schauen, wo es Konversionsflächen gibt. Ich finde wichtig, mitzudenken: Wo ist es eh schon sehr verdichtet und wo kann vielleicht entsiegelt werden? Der Pocket-Park in Flingern ist ein schönes Beispiel, was in die Richtung geht. Dort war ja vorher auch eine komplett versiegelte Parkplatzfläche.

In der Düsseldorfer Verwaltung sind einige Stellen nicht besetzt. Wie sieht es bei Ihnen im Umweltamt aus?

Ferber: Wir haben insgesamt 231 Leute hier an Bord und 246 Stellen. Damit gibt es eine kleine Lücke von 15 Personen, die wir gerade noch suchen. Vergleichsweise ist das aber ein sehr guter Stand. Wir haben viele, viele junge Leute, gerade auch in den Bereichen Klimaschutz oder Klimaanpassung. Für viele ist es interessant, an diesen Themen mitzuwirken. Wir merken, dass wir gute Chancen haben, gute Leute zu finden.

Das große Ziel der Landeshauptstadt ist die Klimaneutralität bis 2035. Ist das aus Ihrer Sicht noch zu schaffen?

Ferber: Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel und ich halte es für erreichbar. Es gibt bei der Stadtverwaltung schon viele tolle und erfolgreiche Projekte, zum Beispiel, dass wir nur noch grünen Strom nutzen. Was mir Mut macht, ist außerdem die Entwicklung, dass jetzt vieles gesetzlich auf Bundesebene auf den Weg gebracht wird. Dazu gehört etwa das Solarpaket I, das Bürokratie beim Ausbau von Photovoltaik abbaut. Es gibt einfach immer mehr Rahmenbedingungen, die wir auch brauchen, um dem Ziel der Klimaneutralität ein Stück näher zu kommen.

(mbo)