Comicroman über Düsseldorfer Familie Wie eine Graphic Novel die Kriegsjahre in Oberkassel zeigt

Düsseldorf · Zeichner Tobi Dahmen hat seine Familiengeschichte in einem Comicroman festgehalten. Eindrücklich schildert er darin die verschiedenen Perspektiven einer Düsseldorfer Familie auf die NS-Zeit. Wie ihm die Idee zur Graphic Novel kam und was er dabei über seine Vorfahren gelernt hat.

Ein Ausschnitt aus „Columbusstraße“: Nach einem Bombenangriff zu Pfingsten 1943 ist die Königsallee nicht wiederzuerkennen.

Foto: Tobi Dahmen

Nachdem sein Vater gestorben war, wurde Tobi Dahmen bewusst, dass bald niemand mehr seine Geschichte erzählen kann. Wie er als Kind den Zweiten Weltkrieg er- und überlebte. Wie seine Geschwister und seine Eltern die Zeit der Nationalsozialisten wahrnahmen und wie sie sich dazu verhielten. „Ich wollte die Geschichte festhalten und weitergeben. Da lag es nah, alles aufzuzeichnen“, sagt Dahmen. Entstanden ist daraus die Graphic Novel „Columbusstraße“. Sie erzählt die Geschichte der Familie Dahmen aus Oberkassel von 1935 bis 1945.

Schlaglichter auf prägnante Bauten der Stadt: Düsseldorf wurde beim Bombenangriff an Pfingsten 1943 schwer getroffen.

Foto: Tobi Dahmen

Die Leser der Graphic Novel, einem Comicroman, lernen Düsseldorf und die Familie Dahmen 1935 kennen. Karl Dahmen, Tobi Dahmens Großvater, ist Anwalt in Düsseldorf, katholisch und in der Zentrumspartei, tritt erst später der NSDAP bei. Die Familie lebt an der namensgebenden Columbusstraße. Zwei Söhne ziehen später in den Krieg. Tobi Dahmens Vater, Karl-Leo Dahmen, erlebt den Krieg sowohl in Düsseldorf als auch bei der Kinderlandverschickung. Die Graphic Novel zeigt dabei die verschiedenen Perspektiven der Familienmitglieder, ihre eigenen Sorgen und Haltungen zum Krieg. „Ich habe versucht, diese universale Geschichte anhand einer relativ normalen Familie zu erzählen“, sagt Dahmen.

Hier war noch alles intakt: Eine Szene am Burgplatz.

Foto: Tobi Dahmen

Dass er all dies zu Papier bringen konnte, fußt auf einer aufwendigen Recherche in Briefen, Lebensläufen und Fotos aus dem Nachlass seines Vaters und Großvaters, auf Gespräche mit seinem Vater und anderen Familienmitgliedern. Nicht zuletzt griff er auch auf Archiv-Quellen zurück, um sich ein Gesamtbild zu machen, Briefe einzuordnen und Geschehnisse zu rekonstruieren. Denn die Briefe und Erzählungen geben immer nur die persönliche Perspektive wieder, sind etwa vom Vater-Sohn-Verhältnis beeinflusst oder lückenhaft. Acht Jahre dauerte der Entstehungsprozess, davon vier Jahre Recherche und Entwurf sowie noch mal vier Jahre Zeichnen.

Auch der Tritonenbrunnen auf der Königsallee ist zu sehen.

Foto: Tobi Dahmen

„Ich habe auch Dinge über meinen Großvater gefunden, die mich erschreckt haben“, sagt Dahmen. Sein Vater hatte ihn als Regimegegner beschrieben. „Bestimmt war er das auch. Er war aber auch Nationalist und hatte Ressentiments gegenüber jüdischen Mitbürgern. Das war nicht schön zu lesen, ich will aber auch nichts beschönigen“, sagt Dahmen. Diese Haltung zeige, wie vermutlich viele Menschen zu der Zeit gedacht haben und findet sich in Dialogen wieder. „Natürlich sind da auch Freiheiten oder Dramatisierungen vorhanden, den Familienmitgliedern schreibt man gewisse Dialoge zu“, sagt Dahmen. Im Kern seien die Charakterisierungen aber passend und die Geschehnisse historisch korrekt.

Karl-Leo Dahmen entdeckt am Morgen nach der Pogromnacht 1938 Scherben auf den Straßen.

Foto: Tobi Dahmen

Die Geschichte und auch die unschönen Seiten der persönlichen Familiengeschichte unter den Teppich zu kehren, bringe niemandem etwas, ist Dahmen überzeugt. Gerade für die Enkelgeneration sei es wichtig, möglichst viel von den letzten Zeitzeugen zu erfahren, festzuhalten – und wenn möglich auch kritisch zu hinterfragen. Ein ehrlicher Blick auf die Zeit sei nötig. Auch, um gegenwärtige Geschehnisse zu verstehen und einzuordnen.

Im Kriegsjahr 1945 bahnen sich Panzer ihren Weg durch die Vorgärten in Oberkassel.

Foto: Tobi Dahmen

Die Arbeit am Comic habe dabei auch die Sicht auf seine Familie verändert. „Es verbindet einen mit der eigenen Familie und mit den Vorfahren. Manches wussten ich und auch andere Familienmitglieder vorher noch gar nicht“, sagt Dahmen. Auch auf Düsseldorf habe er nun einen anderen Blick. „Ich habe hier während des Studiums gelebt und sehe die Stadt heute ganz anders. Was die alten Gebäude alles erlebt haben und erzählen könnten“, sagt Dahmen. Er hofft, dass auch Düsseldorfer so noch einmal anders auf ihre Stadt schauen können. Ortskundige werden jedenfalls einige Straßen und Bauten auf den Bildern wiedererkennen.

Dass das Buch ist in Schwarz-Weiß und Grautönen gehalten ist, ist übrigens nicht nur auf eine persönliche Vorliebe von Dahmen zurückzuführen. Schwarz-Weißdenken sowohl über die NS-Zeit als auch heute sei nicht möglich, findet Dahmen. „Dass es nur Nazis oder Widerstandskämpfer gab, ist zu einfach gedacht. Es gibt da viele Graustufen, die nun auch optisch dargestellt sind“, sagt Dahmen, der bereits an einem zweiten Band der Familiengeschichte zeichnet.